Bewertet am 11. November 2020
Veröffentlicht von: Deavita.de

Eine Ernährungsweise, die reich an Flavonoiden ist, soll den Blutdruck senken können, berichtet Deavita.de, hat dazu aber einfach nur eine englische Pressemitteilung wenig überzeugend übersetzt, und wichtige Informationen zu Interessenkonflikten weggelassen.

Zusammenfassung

Die Lifestyle-Plattform Deavita.de berichtet zeitnah über die Ergebnisse einer aktuellen englischen Studie der Universität Reading, nach der Menschen die besonders viel Flavonoid-reiche Lebensmittel zu sich nehmen einen niedrigeren Blutdruck haben als Menschen, die besonders wenig dieser Lebensmittel wählen. Dabei werden im Artikel die positiven Effekte übertrieben und teils falsch dargestellt, auf das Thema negative Effekte wird gar nicht eingegangen. Der gesamte Text ist eine weitgehende Übernahme einer englischen Pressemitteilung, die indes schlecht übersetzt ist, dadurch sprachlich nicht überzeugt und auch fehlerhaft wird. Die Aussagekraft der Studie wird zwar thematisiert, aber wichtige Informationen erhalten Leserinnen und Leser dann doch nicht. Zumindest ist die Studie verlinkt. Die wichtigen Angaben zu Interessenkonflikten lässt der Artikel weg, obwohl sie in der englischen Pressemitteilung und im Fachartikel aufgeführt sind. Alternativen zur Blutdrucksenkung werden nicht hinreichend vorgestellt, was Flavonoide überhaupt sind, erklärt der Artikel nicht. Der Text ist für Leserinnen und Leser nicht als Pressemitteilung der Universität erkennbar, sondern wirkt durch die Autorennennung wie ein redaktioneller Beitrag.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Die positiven Effekte einer Flavonoid-reichen Ernährung werden zwar scheinbar in absoluten Zahlen quantifiziert: Der Beitrag nennt eine Blutdrucksenkung von zwei bis vier mmHg (Millimeter-Quecksilbersäule, Torr) bei den zehn Prozent Probanden mit dem höchsten Flavonoidkonsum im Vergleich mit den zehn Prozent mit dem niedrigsten Flavonoidkonsum. Dies ist indes in dieser Form so nicht korrekt (siehe Kriterium Faktentreue) und die Einstufung als „bedeutende Veränderung des Blutdrucks“ erscheint zweifelhaft. So erwähnt der Beitrag nicht, dass kein konkreter positiver Einfluss auf die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen (Herz-Kreislauf etc.) und auf die Sterblichkeit messbar war – also kein konkreter positiver Effekt für die Teilnehmenden. Der mögliche Nutzen wird also übertrieben dargestellt.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Ob es negative Effekte einer Flavonoid-reichen Ernährung oder entsprechender Nahrungsergänzungsmittel geben könnte, erwähnt der Beitrag nicht. Wurden diese jemals untersucht, etwa bei übermäßigem Konsum? Auch wenn es keine bekannten Nebenwirkungen gäbe, wäre dies eine interessante Information, denn Medikamente zur Blutdrucksenkung haben diese, was möglicherweise ein Vorteil einer Ernährung reich an Flavonoiden sein könnte.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten vorgestellt/verglichen.

Der angebliche Effekt einer Ernährungsweise, die reich an Flavonoiden ist, wird lediglich mit dem der mediterranen Ernährung verglichen. („Dies ist vergleichbar mit bedeutenden Veränderungen des Blutdrucks. Solche können bei Personen mit einer mediterranen Diät oder Ernährungsansätze zur Beendigung der Hypertonie beobachtet werden.“). Welche anderen Maßnahmen genutzt werden können, um den Blutdruck zu senken, die vielleicht auch echte gesundheitliche Effekte haben, wie mehr Bewegung, Verzicht auf Zigaretten oder einen Gewichtsverlust, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Daher werten wir, wenn auch knapp „nicht erfüllt“.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Der Beitrag stellt zwar heraus, dass die Aufnahme an Flavonoiden „objektiv mit Hilfe von Biomarkern“ gemessen wurde. Zu Recht wird die Problematik von Studien erwähnt, die lediglich auf den Berichten der Probanden zu deren Ernährungsgewohnheiten beruhen. Doch wird die Frage, inwieweit die Marker die tatsächliche Nahrungsaufnahme widerspiegeln, im Beitrag nicht angesprochen. Insbesondere scheint problematisch – wie in der Studie unter „Strengths and Limitations“ auch erwähnt – dass offenbar von jedem Probanden nur eine einzige Urinprobe untersucht wurde. Ob daraus tatsächlich auf die Ernährungsgewohnheiten geschlossen werden kann, scheint zumindest diskussionswürdig. Im Beitrag wird dies indes nicht einmal thematisiert. Es wird zudem nicht erklärt, dass die Studie immer noch eine Beobachtungsstudie ist und keine Interventionsstudie, und daher keine Ursache-Wirkungs-Beziehung bewiesen werden kann. Zudem wurde auch nur ein Surrogat-Marker, Bluthochdruck, gemessen, und kein wirklicher Endpunkt wie Herzkrankheiten, womit offenbleibt, ob es tatsächlich zu gesundheitlichen Effekten kommen wird. Der Beitrag erwähnt diese wichtige Einschränkung nicht, daher werten wir alles in allem knapp „nicht erfüllt“.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es wird leider keine weitere Quelle oder ein anderer Experte zitiert als der Autor der Studie Kuhnle und dieser auch nur indirekt: „Die Wissenschaftler freuen sich zu sehen (…).“ Damit gibt es keine unabhängige Einordnung der Ergebnisse. Positiv ist, dass zumindest die angesprochene Studie verlinkt ist.

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Zwei der Autoren sind bei der US-Firma Mars beschäftigt, der Hauptautor Kuhnle hat Fördermittel von Mars erhalten, was der Studie selbst und auch der Pressemitteilung zu entnehmen ist. Mars fördert seit vielen Jahren die Forschung an Flavonoiden, insbesondere auch aus Kakao bzw. Schokolade.  Mars vermarktet etwa „Cocoavia“ als “Functional food“. Auf seiner Webseite erläutert das Unternehmen: „COCOAVIA™ ist ein Nahrungsergänzungsmittel aus Kakaoextrakt. Es basiert auf über 20 Jahren wissenschaftlicher Forschung über das gesundheitliche und biomedizinische Potenzial von Kakaoflavanolen zur Unterstützung der Herz-Kreislauf-Funktionen.“ Dieser relevante Interessenkonflikt wird im Beitrag nicht genannt. Das dies durchaus möglich ist, zeigt etwa dieser Artikel, der diesen Interessenkonflikt thematisiert.

 
 

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.)

Es gibt zu Beginn des Artikels eine kurze Information, welche Lebensmittel reich an Flavonoiden sind („(…) Lebensmittel und Getränke, einschließlich Tee, Äpfeln und Beeren, (…)“). Dass nicht erklärt wird, dass zum Beispiel auch Kakao reich an Flavonoiden ist, überrascht hingegen, angesichts der Interessenkonflikte (siehe Kriterium). Mehr erfahren Leserinnen und Leser nicht. Es gibt keinerlei Erklärung, welche Bedeutung Flavonoide bisher in der Ernährungsforschung haben, noch ob das Ergebnis der Studie eigentlich eine völlig neue Erkenntnis ist. Es heißt lediglich etwas kryptisch: „Diese Studie liefert wichtige Erkenntnisse zu einer wachsenden Zahl von Belegen.“ Daher werten wir, wenn auch knapp, „nicht erfüllt“.

8. Die Fakten stimmen.

Die mit hohen Flavonoid-Biomarkerwerten assoziierte Senkung des Blutdrucks wird im Beitrag und in der Pressemitteilung mit 2 bis 4 mmHg angegeben. In der Studie sind es bei Männern im Durchschnitt -1,9 mmHg, bei Frauen -2,5 mmHg. Die Spanne reicht von -1,1 bis -3,3 mmHg. Zu der unzulässigen Aufrundung kommt die Einordnung als „bedeutende Blutdrucksenkung“, obwohl es in der Studie ausdrücklich heißt, dass bei dieser Größenordnung des Effektes kein Einfluss auf das individuelle CVD-Risiko zu erwarten ist, und auch kein gesundheitlicher Nutzen messbar war. Die Forscher mutmaßen lediglich, dass gleichwohl ein Effekt auf Bevölkerungsebene zu erwarten wäre, wenn eine solche Blutdrucksenkung bei allen erreicht würde. Im Beitrag sind die zu erwartenden Gesundheitseffekte einer Flavonoid-reichen Ernährung also nicht korrekt, sondern deutlich übertrieben dargestellt.

Der Artikel berichtet, es ginge um eine „Diät“. Tatsächlich geht es um eine „Ernährungsweise“. Der Fehler rührt aus der falschen Übersetzung des englischen „diet“ (siehe Kriterium Verständlichkeit).

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Der Beitrag gibt ausschließlich die Pressemitteilung der Universität Reading wieder. Es handelt sich um eine äußerst schlechte Übersetzung derselben. Einige Zitate wurden in Lauftext umgewandelt, an einigen Stellen wurde leicht gekürzt, insbesondere wurde die Passage zum Interessenkonflikt gestrichen (siehe Kriterium Interessenkonflikte). Eine journalistische Eigenleistung ist nicht erkennbar. Trotzdem ist der Text als redaktioneller Beitrag gekennzeichnet, obwohl es sich letztlich um den Text der Pressemitteilung der Universität handelt.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Der Text ist im Wesentlichen eine sehr schlechte Übersetzung der Pressemitteilung. Daraus resultieren viele sprachliche Schnitzer und grobe Fehler. Einige, wenige Beispiele: Was sind „Flavonoide Lebensmittel“? Was sind „objektive Maßnahmen“, die die „Studie zur Ernährung von tausenden Bewohnern des Vereinigten Königreiches verwendet.“ Dies ist missverständlich und resultiert aus der schlechten Übersetzung. Wieso ist die „Methodik der Studie von gleicher Bedeutung“? Im Vergleich zu was? Inwiefern die Verwendung von Biomarkern „aufregend“ war, erschließt sich auch nicht. Insgesamt ein sprachlich fragwürdiger Artikel, der über weite Strecken an einen automatisch, schlecht übersetzten Text erinnert. Es gibt nur eine Bildunterschrift zu allen vier Fotos, die als Bildergalerie erscheinen, die indes zum dritten Foto nicht passt, weil dort Kapseln und Pillen in einer Hand gezeigt werden, von denen im gesamten Artikel nicht die Rede.

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Der Beitrag ist – auch aufgrund der schlechten Übersetzung (siehe auch Kriterium Attraktivität) – in vielen Punkten irreführend oder unverständlich. Die Überschrift sowie die Bildunterschrift suggerieren, es ginge um Flavonoide „als Diät“ (also zur Gewichtsreduzierung) – gemeint ist indes eine flavonoidreiche Ernährungsweise, denn der englische Begriff „diet“ steht zwar auch für den deutschen Begriff „Diät“ (zur Gewichtsreduktion), bedeutet aber im Zusammenhang mit dieser Studie „Ernährungsweise“ bzw. „Ernährung“. In der Studie geht es gar nicht ums Abnehmen. Um was es sich bei den Biomarkern handelt – nämlich um Abbauprodukte bestimmter Flavonoide ­– wird nicht verständlich erklärt. Da die Limitationen der Studie nicht dargestellt sind, entsteht der falsche Eindruck hier stünde eine blutdrucksenkende Diät zur Verfügung – dass Gesundheitseffekte gar nicht festzustellen waren (siehe auch Kriterium Positive Effekte), wird indes nicht erklärt.

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Hoher Blutdruck ist ein relevantes Gesundheitsproblem. Der Beitrag beruht auf einer aktuellen Studie, die zeitnah berichtet wird. Wir werten knapp „erfüllt“, weil die Relevanz nicht hinreichend deutlich gemacht wird.

Journalistische Kriterien: 1 von 12 erfüllt

Wir werten aufgrund der Übernahme der Pressemitteilung ohne Kenntlichmachung um einen Stern ab.

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar