Bewertet am 16. Oktober 2020
Veröffentlicht von: GQ-Magazin.de

Die spannende Frage, ob man trotz ausgewogener Ernährung noch Nahrungsergänzungsmittel benötigt, versucht GQ durch ein Interview mit dem Gründer einer Firma zu beantworten, die Nahrungsergänzungsmittel herstellt und verkauft.

Zusammenfassung

Das Männermagazin GQ versucht in einem „5 Fragen“-Interview zu klären, wann es sinnvoll sein könnte, Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen. Befragt wird dazu indes kein Ernährungswissenschaftler, sondern der deutsche Gründer einer US-Firma, die Nahrungsergänzungsmittel herstellt und vertreibt. Zunächst erweckt der Artikel im Titel und im Vorspann indes den Eindruck als handele es sich um einen unabhängigen „Experten“. Die positiven Effekte werden nur oberflächlich und allgemein beschrieben, mögliche negative Folgen werden gar nicht thematisiert. Wie gut die Effekte durch Studien belegt sind, wird nicht hinreichend deutlich. Alternativen zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln werden nicht erläutert. Weder wird erklärt, wie viel die Produkte kosten, noch wo sie außer in einer Kosmetikkette zu bekommen sind. Dass das Magazin daran verdient, wenn Leserinnen und Leser die Produkte über den angebotenen Link kaufen, wird transparent gemacht. Warum das Interview gerade jetzt erscheint, bleibt völlig offen. Alles in allem hat das Interview mehr den Charakter eines oberflächlichen Werbegesprächs als eines informativen, journalistischen Interviews.

Title

Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Es werden zwar verschiedene positive Effekte einiger Nahrungsergänzungsmittel angesprochen und behauptet („Innovative Nahrungsergänzungsmittel herzustellen, die sich positiv auf Haut, Körper und Stimmung auswirken und so zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen.“ „Omega-3-Fettsäuren, (…) haben in mehreren klinischen Studien bewiesen, dass sie super “Alleskönner” sind, die nicht nur die Haut, sondern auch Herz und Gehirn unterstützen.“).

In keinem Fall werden diese indes konkret beziffert, um zu verdeutlichen, wie gut sie tatsächlich wirken oder welche Parameter sie konkret verbessern sollen. Dies sollte jedoch auch in einem eher kurzen Format wie dem vorliegenden möglich sein.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Auf negative Effekte von Nahrungsergänzungsmitteln geht der Text an keiner Stelle ein.

3. Es werden alternative Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten vorgestellt/verglichen.

Positiv ist, dass generell erklärt wird, dass man auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten könne, wenn man die Wirkstoffe auch über die Nahrung aufnehmen kann. „Ich empfehle jedem, sich ausgewogen zu ernähren und Vitamine, die man in ausreichender Form auch über Lebensmittel aufnehmen kann, nicht durch Supplements zu ersetzen. If you can eat it, eat it!“ Konterkariert wird dies indes, wenn dann indes für Omega-3-Fettsäuren gar keine Lebensmittel genannt werden, obwohl es diese gibt. Und auch wenn Vitamin D möglicherweise nicht über die Nahrung aufzunehmen wäre, hätte in diesem Fall der einfache Hinweis geholfen, regelmäßig an der frischen Luft spazieren zu gehen, da Vitamin D in der Haut gebildet wird. Wir werten knapp „nicht erfüllt“.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Am Ende des Artikels wird zwar erklärt, wie eine gut gemachte Studie aussehen würde, um Effekte von Supplementen zu untersuchen, und dass die Firma die Ergebnisse solcher Studien in der Fachliteratur nutze, um ihre Produkte zusammenzustellen. Wie gut indes die beschriebenen positiven Effekte durch Studien dieser Art oder durch Studien überhaupt belegt sind, bleibt weitgehend offen. Lediglich zu Omega-3-Fettsäuren heißt es pauschal und ohne nähere Erklärung: „Omega-3-Fettsäuren, „(…) haben in mehreren klinischen Studien bewiesen, dass sie super ‚Alleskönner‘ sind, die nicht nur die Haut, sondern auch Herz und Gehirn unterstützen.“

Am Ende heißt es dann: „Wenn der Prototyp fertig ist, prüfen wir nochmal mit einer internen Studie, um zu sehen, ob das Produkt auch wirklich wirkt.“ Was dabei genau gemacht wird, bekommen Leserinnen und Leser ebenfalls nicht erläutert, sodass völlig offen ist, wie gut letztlich die postulierten Wirkungen belegt sind.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Eine Einordnung durch einen unabhängigen Experten oder Informationen aus anderen unabhängigen Quellen oder Institutionen gibt es nicht.

6. Es wird auf mögliche Interessenkonflikte eingegangen.

Dass es sich bei dem „Experten“ um einen Vertreter einer Firma handelt, die Nahrungsergänzungsmittel herstellt und verkauft, wird zwar im Artikel deutlich, doch wird zu Beginn des Artikels der Eindruck erweckt, als handele es sich um einen „neutralen“ Experten: „Gesunde Ernährung allein genügt? Warum das nicht zwingend für alle Vitamine und Nährstoffe gilt, erklärt uns ein Experte im Interview.“ Dies hätte von Anfang an anders gerahmt werden müssen und deutlicher gemacht werden müssen, dass es sich eben nicht um einen unabhängigen „Experten“ handelt.

Positiv ist der Transparenzhinweis, dass GQ am Verkauf der Produkte mitverdient, wenn man den Produktlinks zur Douglas-Seite folgt. Alles in allem werten wir knapp „nicht erfüllt“.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft o.a.)

Es wird lediglich klar, dass es die Produkte in Deutschland bei „Douglas“ gibt. Ob sie auch in anderen Geschäften oder auf anderen Webseiten zu bekommen sind, wird nicht deutlich. Was die Produkte kosten (auch im Vergleich zu anderen ähnlichen Produkten) erfahren Leserinnen und Leser nur, wenn sie den Links folgen. Woher die Firma die Inhaltsstoffe für ihre Supplemente bekommt und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden, wird nicht thematisiert.

8. Die Fakten stimmen.

Da im Artikel keinerlei Quellen als Belege angeführt werden, können wir diese nicht im Rahmen unserer Möglichkeiten überprüfen. Daher wenden wir das Kriterium nicht an.

Probiotika werden als Nährstoffe bezeichnet, dies sind sie nicht, sondern Zubereitungen, die Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien enthalten.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine journalistische Eigenleistung.

Es handelt sich um ein Interview zweier (!) AutorInnen, wir haben keine Hinweise, dass dieses vor allem auf Pressematerial beruht.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema attraktiv.

Es handelt sich zwar um ein kurzes, knackiges „5 Fragen“-Interviewformat. Doch schon Titel und Teaser führen Leserinnen und Leser auf die falsche Spur, da sie ein Experten-Gespräch suggerieren, bei dem man Hinweise eines unabhängigen Experten bekommt. Letztlich entpuppt sich das Interview nicht als journalistisch informatives Format, sondern als völlig unkritisches Werbegespräch, bei dem Fragen nur als Stichworte dienen, damit der Interviewpartner eigene Produkte vorstellen kann, und GQ über den Linkverweis zum Affiliate-Partner ein paar Cent am Verkauf mitverdient.

11. Das Thema ist verständlich erklärt.

Der Text ist zwar oberflächlich betrachtet verständlich, vergisst indes einige Fachbegriffe hinreichend zu erklären („Probiotika“, „doppelblinde, randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien“). Größtes Manko des Interviews ist, dass eigentlich nichts hinterfragt wird und eigentlich auch nichts erklärt wird. Warum etwa ist es schwierig, Substanzen wie Omega-3-Fettsäuren durch Nahrung in ausreichenden Mengen aufzunehmen? Wo liegen die Grenzwerte? Warum helfen solche Supplemente? Was bedeutet es, wenn der Interviewpartner behauptet: „Es kommt auf den Lifestyle an.“ Erklärt wird dies nicht. Ebenso rätselhaft ist die Aussage: „Menschen in nördlichen oder südlichen Breitengraden sollten im Winter zusätzlich Vitamin D einnehmen.“ Wie gelingt es nur mit Nahrungsergänzungsmitteln „grünen Algen, Heilkräutern und Mineralstoffen“), den Körper „zu entschlacken“? Was soll in diesem Zusammenhang überhaupt „entschlacken“ bedeuten? Wie werden die Produkte intern überprüft? Der Artikel hinterlässt mehr Fragen als er Antworten gibt.

12. Das Thema ist aktuell, relevant oder originell.

Weder ist ein aktueller Anlass erkennbar, noch erscheint das Thema originell. Die Relevanz verliert der Artikel schon dadurch, dass er lediglich Produkte einer Firma vorstellt, auch wenn es sich bei dem Unternehmensgründer um einen Deutschen handelt und die US-Produkt auch in Deutschland erhältlich sind.

Journalistische Kriterien: 1 von 11 erfüllt

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar