Die Kriterien
Eine Übersicht der Kriterien des Medien-Doktor GESUNDHEIT, Medien-Doktor ERNÄHRUNG und Medien-Doktor UMWELT können Sie hier als pdf herunterladen.
Eine Übersicht der Kriterien des Medien-Doktor ERNÄHRUNG.
Kriterien weiterer Medien-Doktor Projekte finden sich hier:
- Kriterien des Medien-Doktor GESUNDHEIT
- Kriterien des Medien-Doktor UMWELT (demnächst wieder erreichbar).
Eine Zusammenstellung aller drei Kriteriensets im Vergleich kann hier als PDF heruntergeladen werden.
1. Positive Effekte (potenzieller Nutzen)
Wie ist der potenziell positive Effekt eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz dargestellt?
Wenn ein journalistischer Beitrag zum Beispiel über ein Lebensmittel oder neue Ernährungsform oder eine Diät berichtet, ist es für die Leser, Zuhörer oder Zuschauer wichtig, etwas über die positiven Effekte zu erfahren. Um eine echte Hilfestellung zu bieten, sollte das Ausmaß dieser Effekte quantitativ dargestellt werden. Dabei genügt es allerdings nicht, in den Beiträgen nur relative Zahlen anzugeben, wie es oft in wissenschaftlichen Studien passiert, etwa, dass durch eine neue Ernährungsform das Risiko für einen Herzinfarkt um 50 Prozent sinkt. Was zunächst wie ein großer Erfolg klingt, kann in absoluten Zahlen nämlich bedeuten, dass das Risiko lediglich von zwei auf ein Prozent gesunken ist. Um den Mediennutzern keinen verzerrten Eindruck von den positiven Effekten einer Behandlung zu vermitteln, sollten journalistische Beiträge daher stets absolute Zahlen verwenden.
Wenn es etwa um Maßnahmen zum Gewichtsverlust geht, sollte angeben werden, wie viele Gramm/Kilogramm in welchem Zeitraum realistisch abgenommen werden können. Die Angabe eines maximal möglichen Wertes allein, statt eines Durchschnittwertes, würde also nicht ausreichen, da es sich nur um einen selten erreichten Extremwert handelt. Wird behauptet, dass eine Ernährungsform hilft, das Leben zu verlängern, sollte deutlich werden, um wie viele Monate (Jahre…) es sich wahrscheinlich handelt. Konkrete Zahlen sind wichtig, um Mediennutzer ein realistisches Bild vom Ausmaß eines Effektes zu beschreiben.
Fehlen konkrete, quantifizierte Angaben, sollte deutlich werden, warum es ggf. nicht möglich ist, diese zu machen – und die Darstellung eines potenziellen positiven Effekts dennoch sinnvoll ist.
Grundsätzlich sollten positive Effekte eines Verfahrens nicht kleiner oder größer dargestellt werden als in der Quelle (z. B. die Studie) beschrieben.
Es sollte auch vermittelt werden, welcher Gruppe von Menschen die positiven Effekte zu Gute kommen können: Geht es zum Beispiel um Allergiker oder stark übergewichtige Personen oder besonders alte Menschen?
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- ein positiver Effekt überhaupt nicht quantifiziert wird, und nicht deutlich wird, warum er nicht quantifiziert wird.
- nur relative, aber keine absolute Effektangaben gemacht werden.
- statt Studienergebnissen einzelne, positive Erlebnisberichte von Patienten im Mittelpunkt des Beitrags stehen.
- Statistiken angemessen zitiert werden, der gesamte Beitrag jedoch durch eine unwidersprochene, übertriebene Aussage völlig unausgewogen wird.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Ist der positive Effekt wirklich so groß oder klein, wie er dargestellt wird?
2. Negative Effekte (Risiken)
Werden bzw. wie werden Risiken dargestellt?
Ein Beitrag sollte immer auf mögliche relevante negative Effekte und Risiken eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz eingehen. Im Idealfall beschreibt er wie häufig und wie schwer die negativen Effekte sind. Auch manche leichteren (‚minor‘) Nebenwirkungen können dramatische Auswirkungen auf das Leben eines einzelnen Menschen haben. So können Verstopfung oder Blähungen durchaus stark belastende Folgen sein, die im Fall der Verstopfung sogar lebensbedrohlich ausfallen können, von einer breiteren Bevölkerung aber als eher geringere Nebenwirkungen wahrgenommen werden.
Spielt ein Beitrag die möglichen negativen Effekte/Risiken eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz herunter, ist dieses Kriterium mit einem ‚nicht erfüllt‘ zu bewerten. Ebenso würde man werten, wenn mögliche Schäden eines Verfahrens nicht quantifiziert werden, obwohl die Zahlen in der besprochenen Studie zu finden sind. Anekdoten von Patienten reichen zur Darstellung der negativen Effekte dagegen nicht aus.
Insgesamt sollte ein Beitrag negative Effekte nicht leichter oder schwerer darstellen als in den vorhandenen Quellen (z.B. wissenschaftlichen Studien) dargelegt.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- mögliche, relevante negative Effekte/Risiken nicht erwähnt werden.
- mögliche negative Effekte nicht quantifiziert werden (falls die Nebenwirkungen zentral für die Berichterstattung sind).
- der Schweregrad möglicher Schäden nicht beschrieben wird.
- vermeintlich unbedeutende negative Effekte/Risiken nicht berücksichtigt werden, die einen beträchtlichen Einfluss auf das Leben einer Person haben könnten.
- sich zu sehr auf Anekdoten von Patienten verlassen wird (v. a., wenn es um die Sicherheit geht).
- nur ein an der Studie beteiligter Experte im Beitrag erklärt, dass ein Verfahren sicher ist – ohne diese Aussage durch objektive Daten zu untermauern.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Welche negativen Effekte/Risiken hat ein Lebensmittel/eine Ernährungsform/eine Substanz oder ein Produkt?
3. Alternativen/Vergleich
Wie schneidet ein(e) Lebensmittel/Ernährungsform/Substanz im Vergleich zu anderen ab?
Um einschätzen zu können wie ausgeprägt/relevant ein positiver oder negativer Effekt eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz ist, sollte ein Beitrag Vergleiche heranziehen, wie andere Lebensmittel/ Ernährungsformen/Substanzen hinsichtlich dieses Effektes abschneiden. Dabei geht es nicht um Vollständigkeit, sondern um exemplarische Vergleiche, die es Mediennutzer ermöglichen, sich ein Bild zu machen. Darüber hinaus helfen auch Vergleiche mit anderen Maßnahmen (Sport, Medikamente) zur Einordnung und sind daher wünschenswert.
Ist ein Effekt von Grund auf neu, dann sollte der Beitrag erwähnen, dass es keine vergleichbaren Alternativen gibt, oder dass es bisher nur unterstützende oder die Symptome lindernde Versorgung gab.
Es sollte auch nicht vergessen werden, dass ‚nichts zu tun‘ ebenfalls eine Alternative sein kann.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- eine Diät besprochen wird, ohne auf andere Methoden des Gewichtsverlustes (wie zum Beispiel Bewegung) zu verweisen.
- ein neuer Test auf eine Lebensmittelunverträglichkeit vorgestellt wird, ohne auf alternative Tests zu verweisen – inklusive der Option im Fall eines Screening-Tests, dass man auch darauf verzichten kann.
- es nicht gelingt, Vor- und Nachteile eines neuen Ansatzes im Vergleich zu bestehenden Verfahren zu diskutieren.
- nicht dargestellt wird, wie das Lebensmittel/die Ernährungsform/die Substanz in die Landschaft wichtiger bestehender Alternativen passt.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Wie schneidet der Effekt des Lebensmittels/der Ernährungsform/der Substanz im Vergleich zu anderen Maßnahmen ab?
4. Belege/Evidenz
Versucht der Beitrag die Belege/die Evidenz darzustellen und einzuordnen?
Der journalistische Beitrag sollte die Qualität der Belege (wie zum Beispiel angeführte Studien) und ihre Aussagekraft einordnen, auf denen die Behauptungen zu den Effekten eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz beruhen.
Insbesondere, wenn es keine guten Belege für eine Aussage zu Effekten gibt, sollte dies im Beitrag deutlich gemacht werden.
Klassisches Beispiel im Bereich der Ernährungsforschung ist der Fall, dass in einem Beitrag über die Effekte bestimmter Ernährungsformen oder Lebensmittel kausale Zusammenhänge behauptet werden (XY bewirkt dies und jenes), obwohl die Ergebnisse dazu nur aus Beobachtungsstudien stammen. Beobachtungsstudien können solche kausalen Zusammenhänge jedoch im Regelfall nicht belegen.
Die abgestufte Aussagekraft von Studiendesigns, (engl.: hierarchy of evidence), mitunter auch in Form einer „Evidenzpyramide“ dargestellt, ist ein wichtiger Aspekt zur Bewertung, den Journalisten berücksichtigen müssen und den sie Lesern und Zuschauern erklären sollten.
Stammen Aussagen zu Effekten nur von einem Experten, sollte ein Artikel zeigen, ob diese Aussagen auf aussagekräftigen Studien beruhen oder eher auf Erfahrungswerten des Experten (Expertenurteile stehen am unteren Ende der Evidenzpyramide!).
Gibt es gar keine Studien bzw. keine kontrollierten Studien zu einem Effekt, sollte dies deutlich werden. Es muss dann erklärt werden, woher das Wissen stammt, das behauptet wird – und warum es trotz der schlechten Evidenzlage relevant sein könnte.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- es nicht gelingt die Grenzen eines Studiendesigns herauszustellen.
- ein Hinweis fehlt, dass man bei der Interpretation von unkontrollierten Daten Vorsicht walten lassen muss.
- kausale Zusammenhänge dargestellt werden, die aber aufgrund des Studiendesigns so nicht zu belegen sind.
- nicht dargestellt wird, wo die Grenzen kleiner Studien (insbesondere zum Nachweis auch kleiner Effekte) liegen.
- sich zu sehr auf positive/negative Erlebnisberichte von Personen/Anekdoten verlassen wird, die womöglich nicht repräsentativ sind.
- nicht darauf hingewiesen wird, dass zum Beispiel die Änderung eines Laborwerts mit positiven gesundheitlichen Auswirkungen gleichgesetzt wird (also ein so genannter Surrogatparameter verwendet wird). Eine Senkung des Cholesterinwertes, bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Risiko an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben gesenkt ist.
- nicht deutlich wird, dass es bei Ergebnissen, die auf Konferenzen präsentiert werden, nur eine eingeschränkte/schlechte Begutachtung (peer review) gibt.
- Ergebnisse aus Tierversuchen oder Laborexperimenten präsentiert werden, ohne den Leser/Zuschauer/Hörer darauf hinzuweisen, dass diese gar nicht oder bestenfalls eingeschränkt auf die menschliche Gesundheit übertragbar sind.
- ein Beitrag lediglich auf den Aussagen eines Experten beruhen, ohne dass im Artikel deutlich würde, woher dieser sein Wissen bezieht.
- ein Beitrag lediglich eine Zusammenfassung eines Vortrags darstellt, ohne diesen kritisch hinsichtlich der Belege zu hinterfragen.
- Ähnliches gilt für Zusammenfassungen von Artikeln aus anderen Massenmedien oder Posts von Social-Media-Kanälen prominenter Personen (vgl. zudem auch Kriterium 6 „journalistische Eigenleistung“).
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Kann man mit den angeführten Belegen/Studienmethoden überhaupt diese Aussagen machen?
5. Experten/Quellentransparenz
Gibt es zumindest eine weitere, möglichst unabhängige Quelle?
Der Beitrag macht klar, woher die verwendeten Informationen und Bewertungen stammen und stützt sich dabei auf mindestens zwei geeignete, voneinander unabhängige Quellen. Zitierte Studien sollten eindeutig zu identifizieren sein. Es muss klar werden, wo diese publiziert wurden (Fachzeitschrift, Preprint-Server, Publikation eines Lebensmittelherstellers oder einer Organisation).
Meist werden in einem Beitrag über eine neue Studie die Autoren der Untersuchung oder der Autor eines Buches zitiert. Um den Beitrag ausgewogen zu gestalten, sollte jedoch mindestens eine weitere, unabhängige Quelle darin vorkommen, z.B. ein weiterer Experte, ein Zitat aus einer weiteren Studie, die offiziellen Empfehlungen einer Behörde oder einer Forschungsinstitution. Dabei darf weder der Experte noch die Institution in einer direkten Abhängigkeit zu den im Artikel vorkommenden Hauptexperten stehen (Interessenkonflikt durch zu große Nähe, vgl. Kriterium 5). Die Person sollte also nicht in derselben Arbeitsgruppe, derselben Uni oder Institution o.ä. arbeiten oder Co-Autor der im Artikel vorgestellten Studie oder des vorgestellten Buches sein.
Es sollte deutlich werden, welche Expertise einen Experten zu einem geeigneten/einschlägigen Experten macht (oder unsere Nachrecherche in Publikationsdatenbanken, Institutswebseiten oder Internetseiten des Experten sollte zumindest eine solche ergeben). Zur Erklärung von Lehrbuchwissen (zum Beispiel zu allgemeinen Fragen des Stoffwechsels) ist der Anspruch an die Expertenauswahl geringer als bei der Darstellung neuer Studien aus der aktuellen Spitzenforschung.
In einem Interview sollte sich die zweite Stimme/zweite Meinung in den Interviewfragen wiederfinden, da es hier naturgemäß nicht möglich ist, eine zweite Quelle in die Antworten einzufügen.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- eine zweite unabhängige/unbeteiligte Quelle fehlt.
- nicht deutlich wird, warum ein Experte als Experte geeignet ist, welche Expertise er hat oder unsere Recherchen keine ausreichende Expertise ergeben.
- ein ausgewählter weiterer Experte nicht ausreichend unabhängig vom ersten Experten ist, weil er zum Beispiel in dessen Arbeitsgruppe arbeitet oder Co-Autor der vorgestellten Studie ist oder sonst in einer für das Thema relevanten abhängigen Arbeitsbeziehung steht. Die Wertung ist unabhängig davon, ob diese Abhängigkeit im Artikel deutlich gemacht wird oder nicht. (siehe dazu auch Kriterium 5 Interessenkonflikte)
- in einem Interview in den Fragen oder erklärendem Begleittext nicht auf andere Experten oder andere Quellen verwiesen wird.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Wie schätzen andere, unabhängige, einschlägige Experten / Institutionen / die Informationen zu Effekten eines Lebensmittels/einer Ernährungsform/einer Substanz ein?
6. Interessenkonflikte
Liegen bei den im Beitrag angeführten Personen oder dem Medium selbst (insbesondere finanzielle) Interessenkonflikte vor?
Wir erwarten, dass in einem Beitrag vorhandene Interessenkonflikte angesprochen und gegebenenfalls eingeordnet werden.
Für die Beurteilung der Aussagen eines Experten ist es wichtig zu wissen, wie unabhängig er ist – da bekannt ist, dass Abhängigkeiten, insbesondere finanzieller Art, zu voreingenommenen Beurteilungen und Forschungsergebnissen führen können.
Daher sollte ein Beitrag klarstellen, ob bei einem Experten Interessenkonflikte vorliegen, etwa weil die Forschung durch eine Firma oder eine NGO finanziert wird, ein Patent oder ein Werbevertrag vorhanden ist, oder der Experte an einem empfohlenen Produkt mitverdient. Auch wenn Ernährungsberater bevorzugt bestimmte Produkte/Konzepte empfehlen, die sie selbst verkaufen, sollte dies in einem Artikel unbedingt deutlich werden.
Liegen keine Interessenkonflikte vor (bzw. die Gutachterinnen und Gutachter haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten keine finden können), muss darauf im Beitrag nicht explizit darauf hingewiesen werden. Das Kriterium wird demnach als „erfüllt“ betrachtet, auch ohne, dass der Beitrag den fehlenden Interessenkonflikt erwähnt.
Wie relevant ein Interessenkonflikt ist, müssen die Gutachter von Fall zu Fall abwägen. Nicht jede Finanzierung, z.B. durch die Industrie, führt automatisch zu einer Beeinflussung von Forschungsresultaten. Dennoch sollte ein journalistischer Beitrag sie aufzeigen (siehe dazu auch diese Beiträge zum Thema Interessenkonflikte bzw. Befangenheit:
- Marcus Anhäuser/Klaus Koch, Interessenkonflikte: Wie sollten Journalisten darüber berichten?, Medien-Doktor.de
- Klaus Koch, Interessenkonflikte: Eine Abgrenzung, Medien-Doktor.de
- Irene Berres/Klaus Koch: Praxisberichte 6 – Experten, Interessen und Konflikte, Praxisberichte, Medien-Doktor.de
- DFG, Hinweise zur Befangenheit (PDF)
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- nicht auf tatsächliche oder potenzielle Interessenkonflikte des Hauptexperten oder anderer Experten hingewiesen wird.
- der Beitrag nicht erwähnt, dass bei weiteren Experten oder Personen ein relevantes Abhängigkeitsverhältnis vom Hauptexperten besteht, weil sie in derselben Arbeitsgruppe arbeiten oder Co-Autoren der vorgestellten Studie sind (siehe dazu auch Kriterium 5 zu Experten/Quellentransparenz). Werden diese Zusammenhänge deutlich, wird das Kriterium als „erfüllt“ gewertet.
- nicht deutlich wird, dass das Medium selbst einen Interessenkonflikt hat, weil es sich bei den im Artikel gesetzten Links um bezahlte Links („Verkaufslinks, Affiliate Links“) handelt, oder das Medium für die Veröffentlichung des Beitrags bezahlt wurde.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Gibt es Abhängigkeiten, die das Urteil eines Experten/einer Person beeinflussen könnten?
7. Einordnung in den Kontext
Werden Aspekte wie Kosten/Herkunft/Verfügbarkeit/soziale Folgen/Neuheit/Ethik u.a. – wenn relevant – in der Geschichte angesprochen und eingeordnet?
Auch wenn Kosten bei Lebensmitteln/Ernährungsformen/einzelnen Substanzen oft als bekannt vorausgesetzt werden können oder keine so große Rolle spielen, dass diese überhaupt thematisiert werden müssten, gibt es doch vereinzelte Themen, bei denen diese wichtig sind – und Mediennutzer daher vermittelt werden sollten.
So können Kosten zum Beispiel in Zusammenhang mit Artikeln aus dem Umfeld von Ernährung und Gesundheit wichtig werden, wenn es um die regelmäßige Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln geht oder wenn bestimmte Ernährungskonzepte vorgestellt werden (Formula-Diäten). In solchen Fällen halten wir es für wichtig, dass diese, zum Teil erheblichen Kosten – wie bei Arzneimitteln auch – thematisiert, gegebenenfalls verglichen und vor allem konkret benannt werden.
Neben den direkten Kosten für Verbraucher können aber auch gesellschaftliche Kosten bei einem Thema eine Rolle spielen, die eine Beitrag verdeutlichen sollte. Etwa Kosten aufgrund von Umweltbelastungen in der Herstellung des Lebensmittels oder des Transports oder Kosten für die Allgemeinheit zur Behandlung von Folgen einer verbreiteten Fehlernährung.
In diesen Fällen spielt oft auch das Teil-Kriterium Verfügbarkeit oder die Herkunft eine Rolle, das hier bewertet werden kann – insbesondere dann, wenn ein Aspekt dazu nicht offensichtlich ist: Das betrifft die Herkunft bzw. Verbreitung exotischer „Superfoods“ (über die gängigen Nahrungsmittel wie Banane, Ananas, Mango etc. hinaus) ebenso wie etwa Konzeptdiäten, die nur an bestimmten Gesundheitszentren in einigen Regionen oder bei bestimmten Ernährungsberatern verfügbar sind – und somit für große Teile der Leserschaft gar nicht zu Debatte stehen.
Ebenfalls Kosten/ Verfügbarkeit/Herkunft können Aspekte wie die landwirtschaftliche Produktionsweise oder ähnliche Parameter abgehandelt werden, wenn diese für Entscheidung der Verbraucher/Mediennutzer relevant werden könnten – etwa, weil es sich um eine besonders umweltschonende oder umgekehrt schädigende Produktionsweise oder um gentechnisch veränderte Lebensmittel handelt.
In manchen Fällen könnte es wichtig sein, auch Kontexte wie die möglichen sozialen oder ethischen Folgen einer Berichterstattung oder einer Ernährungsform zu thematisieren. Beispielsweise könnte in einem Artikel über eine Diät die Problematik von Essstörungen oder falscher Körperbilder bei Jugendlichen angesprochen werden.
In diesem Kriterium kann ebenfalls abgeklärt werden, ob ein Beitrag deutlich macht, ob es sich beim Berichtsgegenstand um eine Neuheit handelt oder nicht oder was genau das Neue ist.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- keine konkreten Kosten genannt werden, obwohl diese ungewöhnlich hoch liegen im Vergleich zu gängigen Lebensmitteln oder Ernährungsformen.
- nicht auf die Herkunft eines exotischen Lebensmittels eingegangen wird, obwohl dadurch die Verfügbarkeit für Verbraucher deutlich eingeschränkt ist.
- auf die Produktionsweise nicht eingegangen wird, obwohl diese besonders umweltschädlich/-freundlich ist.
- der Aspekt der Kosten bzw. Verfügbarkeit nicht angesprochen wird, obwohl z.B. ein Ernährungskonzept nur an einer Klinik angeboten wird und die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen werden.
- so getan wird, dass es sich bei einer Ernährungsform/Diät o.a. um eine Neuheit handelt, obwohl dies gar nicht der Fall ist.
- nicht deutlich wird, was das Neue an einer Ernährungsform/Diät, einem Lebensmittel oder einem Studienergebnis etc. ist
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Gibt es relevante Informationen zu Kosten/Verfügbarkeit/Herkunft/Neuheit etc. die für Mediennutzer relevant sind?
8. Faktentreue
Gibt der Beitrag die wesentlichen Fakten richtig wieder?
Bei diesem Kriterium geht es darum herauszufinden, ob ein Autor/eine Autorin keine offensichtlichen, wesentlichen Fehler bei den Fakten macht. Gibt er/sie also die Hauptaussage einer Studie, bzw. die Ergebnisse, auf die er/sie sich bezieht, richtig wieder? Richtigkeit ist hier nicht gleichbedeutend mit Vollständigkeit – es müssen nicht immer alle Aspekte einer Studie beschrieben werden, doch die genannten Fakten müssen stimmen.
Es geht dabei um offensichtliche Fehler, die z.B. schon beim Lesen einer zugrunde liegenden Studie bzw. der Zusammenfassung – auffallen können. Nicht jeder Fakt und jede Tatsachenbehauptung kann von den Gutachtern gegenrecherchiert werden. Ein falsch geschriebener Name ist im Gutachten anzumerken, reicht aber allein noch nicht, um einen Beitrag als „nicht erfüllt“ gelten zu lassen. Treten aber zusätzlich andere „kleine“ Fehler auf, die auf eine insgesamt mangelnde Sorgfalt bei der Recherche schließen lassen, ist sehr wohl „nicht erfüllt“ zu werten. Dies kann auch als Grund für eine Abwertung des Gesamtergebnisses um einen Stern betrachtet werden.
Bietet ein Beitrag ausschließlich Behauptungen ohne jegliche Hinweise auf Belege und Quellen, die somit durch die GutachterInnen nicht zu überprüfen sind, kann das Kriterium als „nicht anwendbar“ gewertet werden. Unter Umständen kann dies auch als Grund für eine Abwertung aufgrund mangelnder Evidenz des Gesamtergebnisses um einen Stern betrachtet werden.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- Überschriften und Teaser sich zu stark von der tatsächlichen Aussage des Beitrags entfernen.
- der Beitrag Kausalzusammenhänge herstellt, obwohl die Daten nur Korrelationen belegen.
- Daten offensichtlich falsch wiedergegeben werden.
- Grobe, irreführende Übersetzungsfehler etwa bei Zitaten aus dem Englischen auftreten.
- Häufigkeiten erheblich von den in der entsprechenden Fachpublikation oder offiziellen Dokumenten genannten Werten abweichen.
- Der Text viele kleinere Fehler beinhaltet, die für sich genommen noch kein „nicht erfüllt“ rechtfertigen, in der Summe aber den Eindruck erwecken, dass nicht mit hinreichender Sorgfalt berichtet wird.
- eine Erkrankung übertrieben dargestellt wird („Disease mongering“/Krankheitsübertreibung/-erfindung), etwa durch überhöhte Häufigkeiten oder Darstellung über Extremfälle ohne eine entsprechende Einordnung.
9. Journalistische Eigenleistung
Berichtet der Beitrag vor allem Informationen, die überwiegend auf eigener journalistischer Recherche beruhen?
Basiert der Beitrag überwiegend auf eigenen Recherchen oder ist er weitgehend die bloße Übernahme von Pressematerial bzw. fremden journalistischen Beiträgen, wie zum Beispiel von Medienbeiträgen aus anderen Ländern? (bezieht sich indes nicht auf Beiträge von Nachrichtenagenturen, die auch als solche gekennzeichnet sind)
Ein Beitrag sollte sich deutlich von einer ggf. zum Thema vorhandenen Pressemitteilung oder anderem Pressematerial unterscheiden, damit von einer eigenen journalistischen Rechercheleistung ausgegangen werden kann.
Eine Pressemitteilung/eine Pressekonferenz oder Pressematerial sollte ein Anlass, aber keine komplette Vorlage für einen Beitrag sein – auch wenn es im zunehmend schwieriger werdenden Redaktionsalltag vorkommen kann, dass z.B. eine gute gemachte Pressemitteilung einen Großteil der nötigen Informationen liefert.
Bei der Übernahme von Videomaterial, das z.B. von Unternehmen oder Forschungseinrichtungen zur Verfügung gestellt wurde, ist auf die Quelle hinzuweisen. Wird ausschließlich solches Material verwendet, ist das Kriterium bei Fernsehbeiträgen „nicht erfüllt“. Auch wenn eigene Bilder oder Filmsequenzen ohne erkennbare weitere Recherche lediglich die Inhalte einer Pressemitteilung illustrieren, kann das Kriterium „nicht erfüllt“ sein.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- klare Belege dafür vorhanden sind, dass das „Wording“ in großen Teilen aus einer Pressemitteilung oder dem Pressematerial übernommen wurde.
- erkennbar ist, dass lediglich ein Beitrag aus einem anderen (z.B. fremdsprachigen) Medium zusammengefasst wird und es keine darüber hinaus gehende journalistische Eigenleistung gibt.
Bei einem Beitrag, der mehrere unabhängige Quellen hat, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass er NICHT allein auf einer Pressemitteilung/ Pressematerial beruht. In diesem Fall liegt also eine journalistische Eigenleistung vor und daher sollte in diesem Falle mit „erfüllt“ bewerten werden, auch wenn wir keine Pressemitteilung finden.
Auch ohne Pressemitteilung kann jedoch eine fehlende journalistische Eigenleistung vorliegen, wenn der Beitrag sehr unkritisch ist, einen werbenden Charakter hat oder nur einzelne, abhängige Quellen erwähnt werden. Wenn es also sein könnte, dass die Informationen überwiegend aus einer Pressemitteilung oder PR-Material stammen, wird das Kriterium mit „nicht anwendbar“ gewertet.
Zentrale Frage, die für Mediennutzer zu klären wäre:
Handelt es sich um eine ausreichende journalistische Eigenleistung oder stammen die Informationen, die Mediennutzer erhalten, ausschließlich bzw. nicht ganz überwiegend aus der Pressemitteilung oder entsprechendem PR-Material bzw. fremden journalistischen Beiträgen?
10. Attraktivität der Darstellung
Gelingt es im Beitrag, ein Thema durch eine attraktive Darstellung zu vermitteln?
Damit Mediennutzer einen Beitrag gerne lesen, hören oder sehen, muss er nicht nur verständlich sein. Auch wie ein Thema vermittelt wird, spielt dabei eine wesentliche Rolle. So ist ein Beitrag mit vielen kurzen Hauptsätzen zwar maximal verständlich, aber eben nicht sehr attraktiv.
Positiv ist zu bewerten, wenn ein Beitrag dramaturgischen Prinzipien folgt (Personalisierung, narrative Elemente, Bezug zur Alltagswelt etc.). Ideal ist es, wenn Form und Inhalt harmonieren, abstrakte Zusammenhänge z.B. durch Illustrationen, Fotos/geeignete Bilder (TV) oder anschauliche Textbeispiele verdeutlicht werden. Bei einem Radiobeitrag gehört der Einsatz von Atmo und guten O-Tönen dazu, bei Texten sollen Überschriften, Bilder und Illustrationen die Aussagen unterstützen oder ergänzen.
Generell steht bei diesem Kriterium die Form, weniger der Inhalt im Zentrum der Betrachtung.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- Überschrift und Teaser übertrieben dramatisieren oder viel mehr versprechen, als ein Studienergebnis tatsächlich hergibt.
- es in einem insgesamt sehr subjektiven Beitrag („Erlebnisbericht“) nicht gelingt, diesen durch Abschnitte mit neutralen/objektiven Beschreibungen der Fakten einzuordnen. Idealerweise werden Fallbeispiele gewählt, die typisch sind.
11. Verständlichkeit
Ist der Beitrag für Laienpublikum verständlich?
Dieses Kriterium gilt als „erfüllt“, wenn ein Beitrag verständlich ist, weil er klar strukturiert ist, angemessene Satzlängen verwendet, Fachbegriffe nur in Ausnahmefällen verwendet (und diese dann erläutert) und Zusammenhänge gut erklärt – und ggf. erklärendes Bild- und Tonmaterial einsetzt.
Handelt es sich um einen nachrichtlichen Beitrag, sollten die W-Fragen (wer, was, wo, wie, wann und warum) vollständig beantwortet werden.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- ein Thema zu abstrakt dargestellt wird.
- die Struktur wirr erscheint, logische Fehler auftreten.
- Bandwurmsätze über mehrere Zeilen und Schachtelsätze das Verständnis und den Lesefluss erschweren.
- in einem nachrichtlichen Beitrag ein Teil der W-Fragen nicht beantwortet wird
- ein Beitrag von unverständlichen oder irreführenden Bildern begleitet wird: Ergänzen sie den Inhalt des Beitrags oder überdecken/verfälschen sie ihn? Bei Grafiken ist z.B. auf die verwendeten Skalen, etwaige Verzerrungen, ungemessene Maßstäbe, täuschende Perspektiven, Lücken in den dargestellten Daten etc. zu achten.
Hilfreich kann hier auch das so genannte Hamburger Verständlichkeitsmodell sein, (siehe dazu dises PDF ab S. 2).
12. Themenauswahl
Ist das Thema aktuell, relevant oder originell?
Hier spielt eine Rolle, ob das im Beitrag besprochene Thema aktuell, relevant oder besonders originell ist.
Als relevant gilt zum Beispiel ein Thema, das einen großen Teil der Bevölkerung direkt oder indirekt betrifft. Wenn eine große Anzahl Menschen davon betroffen ist oder eine neue Entwicklung wichtige ethische Fragen aufwirft, wenn politische Entscheidungen dazu anstehen oder ein kleines Thema beispielhaft für eine größere Entwicklung steht („Modellcharakter“). Denn Relevanz entsteht nicht nur durch eine große Anzahl von Betroffenen. Auch ein großer Erfolg oder ein großes Risiko für einen kleinen Teil der Bevölkerung kann bedeutsam sein.
Ein Beitrag kann durch ein ungewöhnliches Thema oder einen überraschenden Blickwinkel überzeugen – und somit den Mediennutzern besonders kurios, humorvoll oder überraschend erscheinen.
Außerdem wird hier bewertet, ob der Beitrag eine seinem Medium oder einem zeitlichen Rahmen (z. B. Jahreszeit) angemessene Aktualität besitzt und diese für den Leser/Zuhörer/Zuschauer deutlich macht (z.B. durch Formulierungen wie „Ergebnisse, die heute/gestern/diese Woche in einem Fachmagazin/Konferenz veröffentlicht wurden.“ oder „… wie in dem diese Woche veröffentlichten Buch beschrieben … “).
Sollte das Thema eines Beitrags nicht aktuell sein, muss es relevant sein. Ist es nicht relevant, muss es zumindest ungewöhnlich sein.
Wertung kann „nicht erfüllt“ lauten, wenn z.B. …
- ein Thema nur für kleine Fachkreise von Bedeutung ist, denn dann spielt auch Aktualität keine Rolle.
- ein Thema nicht aktuell, nicht relevant und auch nicht ungewöhnlich ist – und überhaupt nicht klar wird, warum über das Thema gerade jetzt berichtet wird.
- der aktuelle Bezug konstruiert erscheint („Tag des XY“, die in der Regel von Interessenverbänden/Unternehmen festgesetzte Termine als Teil einer PR-Strategie sind, oder ein „aktueller Promitipp“) Eine Ausnahme wären Tage, die eine echte Relevanz für die politische Agenda haben (z. B. der Welt-Aids-Tag der Organisation UNAIDS).
- versucht wird, durch Zeitwörter Aktualität zu erzeugen, obwohl ein Thema veraltet ist (z.B. Tageszeitungsbeitrag: „wie die Forscher jetzt herausfinden“, das Ergebnis/der Anlass aber schon seit einem Monat bekannt/veröffentlicht ist). Auch dieses Kriterium orientiert sich am Veröffentlichungsrhythmus des Mediums.
- Relevanz und/oder Aktualität nur simuliert erscheint, etwa durch aktuelle firmengesponserte Umfragen im Zusammenhang mit „Awareness- Kampagnen“.
- eine Pressekonferenz als Anlass für eine zeitnahe Berichterstattung genommen wird, die über die Ergebnisse einer laufenden bzw. (noch) nicht veröffentlichten Studie berichtet, und es für Journalisten keine Möglichkeit gibt, die Studie zur Überprüfung zu erhalten. Da dann weder Ergebnisse noch die Methodik überprüft werden können, raten wir generell von einer solchen Berichterstattung ab.
Die Kriterien des
Medien-Doktor ERNÄHRUNG
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