NIPT: Vorsicht mit der „Meldung“, zu kurz und oft falsch
Wer? Was? Wann? Woher? Wo? Wie? Warum? Schnell alles beantworten, einige W-Fragen in einem pfiffigen Küchenzuruf zusammenfassen und fertig ist die druckreife Meldung … oder? Gerade wenn es um die Berichterstattung über medizinisch-diagnostische Tests geht, kommt das beliebte Nachrichten-Format an seine Grenzen.
Eine Meldung zu verfassen, ist einfach und kostet wenig Zeit. Kurznachrichten brauchen wenig Platz und halten den Leser mit den Kerninformationen auf dem Laufenden. Sie sind gängiger Bestandteil der klassischen Ressorts, aber auch im „verspäteten Ressort“ – dem Wissenschaftsjournalismus.
Zum Problem wird das immer dann, wenn man keine Vorkenntnisse über ein bestimmtes Thema voraussetzen kann oder durch die Kürze der Nachricht, Falschinformationen an die Öffentlichkeit gegeben werden.
Nicht verwunderlich ist, dass dies gerade bei komplexen Themen wie den gendiagnostischen Testverfahren schnell der Fall sein kann. Journalismus soll informieren, einordnen, erklären und zur Debatte beitragen.
Der Nicht-invasive pränatale Bluttest (NIPT) ist in Deutschland seit August 2012 auf dem Markt und zuletzt wurde entschieden, dass die Kosten unter bestimmten Voraussetzungen von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Neben der Kostenübernahme spielen ethische Aspekte in der Debatte ebenfalls eine große Rolle. Nachrichtenfaktoren, die für die Wissenschaftsberichterstattung relevant sind, wie Wichtigkeit, Nutzwert, Aktualität, Reichweite (Betroffenheit) und Relevanz für den Einzelnen sind gegeben. Das Thema wird zur Nachricht.
Die Meldung und der NIPT
Die TU Dortmund hat in Zusammenarbeit mit Cochrane Deutschland und dem Medien-Doktor in dem Verbundprojekt „Ethik und Evidenz: Analyse und Förderung des medialen Diskurses zu diagnostischen Tests“ (MEDIATE) eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung über pränatale Diagnostik gemacht. In dieser Stichprobe von Artikeln in Print- und Onlinemedien in Deutschland über Pränataldiagnostik im Zeitraum von Januar 2010 bis Januar 2018 (n=473) wurden 35 Meldungen (bis 200 Wörter) erfasst. 28 Meldungen erschienen im Jahr 2012, davon zwölf im Juli 2012 und zehn im August 2012.
In diesen Meldungen geht es in der Hauptsache um die Zulassung des Tests in Deutschland, dazu wird meist mit einem Satz der Nutzen erklärt: Es sei ein Bluttest, der Trisomie 21 (Down-Syndrom) erkennt. Bei dem NIPT handelt es sich jedoch um ein Testverfahren und nicht um ein Diagnoseverfahren. Mit dem Test wird lediglich die Wahrscheinlichkeit ermittelt, dass das Kind eine Trisomie 21 aufweist. Die Formulierung „ein Bluttest erkennt Trisomie 21“ suggeriert dem Leser, dass das Ergebnis des Tests die unumstößliche Diagnose stellt.
Im Pressekodex Ziffer 2 – Sorgfalt steht:
„Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden.“
Im Pressekodex in Ziffer 14- Medizin-Berichterstattung heißt es:
„Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.“
Auch wenn eine Meldung nüchtern formuliert ist und eine „unangemessen sensationelle Darstellung“ vermieden wird, kann die Formulierung „Der Bluttest erkennt Trisomie 21“, unnötige Hoffnungen oder Befürchtungen bei – in diesem Fall – werdenden Eltern schüren. Die Information ist verfälscht.
Für Verweise auf die Aussagekraft eines solchen Tests, andere vorgeburtliche Untersuchungen oder Folgen des Testergebnisses für das Kind und deren Eltern gibt es zugleich in einem so kurzen Format wie der Meldung kaum Platz. Damit kann eine Autorin oder ein Autor bei einem so komplexen Thema keinen Kontext herstellen. Dies führt dazu, dass die Berichterstattung lückenhaft ist und zwar in einer Form, wie sie nur schwer hinnehmbar ist, um angemessen über ein solches medizinische Verfahren zu berichten.
Weniger ist (nicht immer) mehr
Sabine Schiner ist beim Darmstädter Echo unter anderem für die Wissenschaftsseite zuständig. Einen Hintergrundbericht, ein Pro und Contra oder ein Interview seien gute Instrumente, um ein Testverfahren tiefergehend zu erklären, sagt sie. In einer Meldung ein Testverfahren verständlich zu machen, sei sehr schwierig „Ich würde das nicht tun.“ Wenn eine Meldung nicht verständlich ist, würde sie auf die Meldung verzichten.
Ihre Ansicht spiegelt sich auch in unserer Stichprobe (n=473) wider. Nur 35 der 473 Artikel innerhalb der acht Jahre waren Meldungen zum Thema. Einige dieser kurzen Artikel verweisen auf Themenseiten und bieten so dem Leser durch einen Bericht, einen Kommentar, ein Feature oder eine Reportage mehr Informationen und die Möglichkeit zum Einordnen des Testverfahrens.
Anders sieht dies Sascha Karberg, Redaktionsleiter „Wissen & Forschen“ vom Tagesspiegel, Berlin. Er würde Meldungen über solche Tests durchaus verfassen, um die Möglichkeiten, technischen Schwierigkeiten/Limitationen und die Aussagekraft zu erklären und in den Kontext zu stellen. Auch ein Testverfahren könne man in einer Meldung unterbringen: „Sicher nicht bis ins Detail, aber das Grundprinzip oder zumindest die Besonderheit/Neuigkeitswert des Verfahrens lässt sich eigentlich immer erklären.“, um verschiedene Sichtweisen oder Erklärungen unter zu bringen brauche es aber mehr als einen Meldungsplatz: „Mitunter melden wir aber Neuigkeiten über Diagnoseverfahren zunächst und greifen das Thema dann später in größeren, hintergründigeren Texten auf.“ sagt er. Gegen eine Meldung entscheide er sich, wenn aufgrund des Themas oder der Nachrichtenlage ein längerer Artikel nötig sei, oder ein Test keinen Mehrwert bringen würde, fehlerhaft sei oder wenig aussagekräftig.
Eine Meldung über gendiagnostische Testverfahren in der Pränataldiagnostik zu verfassen, ist offensichtlich eine heikle Angelegenheit. Bei Themen, die ethisch diskutiert werden, komplex sind (siehe dazu auch in diesem Blog: Das Yin und Yang medizinisch-diagnostischer Tests) und ohne Kontext nicht für sich alleine stehen können, sollte man sich immer Fragen, ob eine Meldung das richtige Format ist. In der Kürze liegt hierbei eben nicht die Würze, sondern Vereinfachungen, zu wenig Kontext und somit problematische Informationsfragmente, die im Zweifel verfälschte Informationen an den Leser bringen.
Wer trotzdem eine Meldung zum Thema verfassen muss, sollte auf folgende Aspekte achten:
- Welche Vor- und Nachteile entstehen für den Anwender?
- Wie aussagekräftig ist der Test für das “normale Leben” (z.B. bei prädiktiven Tests sollte man nicht nur die relative Risikoerhöhung bei Vorliegen einer bestimmten Mutation nennen, sondern auch das absolute Risiko, diese Krankheit überhaupt zu bekommen)?
- Aussagekraft, Möglichkeiten und/oder technische Schwierigkeiten/Limitationen sollten in einen Kontext gebracht werden.