In einem ausführlichen und sachlichen Frage-Antwort-Format informiert dieser Artikel aus dem Mai 2017 in weiten Teilen sehr gut über pränatale Gentests auf Trisomie 21. Das fanden auch unsere Studenten-Teams und der Medizin-Experte.
Zusammenfassung
Der ausführliche Artikel in den Nürnberger Nachrichten aus dem Mai 2017 informiert Leserinnen und Leser in einem Frage-Antwort-Format insgesamt sehr gut über pränatale Gentests auf Trisomie 21, auch wenn die Aussagekraft des Tests nicht ausreichend erklärt wird. Besser, wenn auch nicht vollständig sind die Informationen zu möglichen Risiken und Nebenwirkungen. Ausführlich wird die Studienlage beschrieben. Es kommen zahlreiche Experten zu Wort, Interessenkonflikte werden thematisiert. Der Text macht deutlich, seit wann es den Test gibt und welche Alternativen werdenden Mütter angeboten werden. Sie bekommen ausreichende Informationen zu den Kosten. Trisomie 21 wird nicht übertrieben dargestellt. Die anstehende Bewertung des IQWiG (2017) war ein ausreichend relevanter Anlass aktuell über den Test zu berichten, was insgesamt in verständlicher, nüchterner und informativer Form im Frage-Antwort-Format gelingt.
Medizin-ExpertIn
Der Artikel berichtet in allen Aspekten ausreichend gut. … Mehr
StudentInnen-Teams
Der Artikel berichtet bis auf vereinzelte Aspekte ausreichend gut. … Mehr
Medizinjournalistische Kriterien
1. Die Aussagekraft/der NUTZEN ist ausreichend und verständlich dargestellt.
„Aufgrund der bisher zum Thema vorliegenden 37 Studien entdecken die Bluttests in 99,2 Prozent aller Fälle eine Trisomie 21. Sie sind also sehr genau.“ Damit gibt der Text den Wert für die Sensitivität an (also für den Fall, dass ein Betroffener als Betroffener richtig erkannt wird.) Es gibt indes keine Angaben zum Wert der Spezifität, also für den Fall, dass ein Nicht-Betroffener vom Test auch als Nicht-Betroffener erkannt wird.
Daher werten wir das Kriterium, wenn auch knapp als „nicht erfüllt“.
2. RISIKEN und Nebenwirkungen werden angemessen berücksichtigt.
Zum Problem der falsch-Positiven Testergebnisse heißt es: „Nur in 0,09 Prozent der Fälle meldet der Test eine Anomalie, obwohl das Ungeborene gesund ist.“ Auf den Fall der falsch-Negativen Testergebnisse geht der Text leider nicht ein. Dafür erklärt er, dass er eben nicht das Problem einer Fruchtwasseruntersuchung hat, bei der es zu einem gewissen Prozentsatz zu schwerwiegenden Komplikationen kommen kann. Zudem wird die Befürchtung angesprochen, dass der einfache Test zu mehr Abtreibungen führen könnte. Alles in allem werten wir daher, knapp „erfüllt“.
3. Die Qualität der Evidenz (STUDIEN) wird richtig eingeordnet.
Es wird unter dem Punkt „Was ergaben Studien zu den Bluttests?“ dargestellt, dass es bereits 37 Studien zu den Bluttests gibt (teils mit mehr als tausend Schwangerschaften und dem Hinweis „die Größe der Stichprobe hat viel Einfluss auf die Aussagekraft von solchen Studien“). Auch wird erklärt, dass keine der bisher durchgeführten Studien nach allen Qualitätsstandards perfekt durchgeführt worden ist, und dass die meisten von Herstellern finanziert würden, was deren Aussagekraft schwäche. So heißt es abschließend: „Auch eine sogenannte Meta-Analyse mehrerer Arbeiten hat festgestellt, dass es noch keine Studie zu den neuen Bluttests gibt, die nach allen Qualitätsstandards perfekt ist.“ Auch wird erwähnt, dass das IQWiG nun (2017) eine Bewertung vornehmen wird. Damit wird klar, dass die Aussagen zur Verlässlichkeit noch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind.
Auch in einem anderen Bereich wird die Evidenz erläutert: „90 Prozent der Frauen würden sich bei einem Verdacht auf Trisomie 21 für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden. Die Journalistin Kathrin Zinkant von der Süddeutschen Zeitung hat auf die dünne Datengrundlage hingewiesen: Eine Studie habe zwar sogar einen Anteil von 96 Prozent für Abtreibungen bei Verdacht auf Trisomie 21 festgestellt – aber nur mit Bezug auf das Jahr 2002.“
4. Es werden weitere EXPERTEN/Quellen zitiert und es wird auf INTERESSENSKONFLIKTE hingewiesen.
Es werden mehrere unabhängige Experten zitiert, vor allem indes zu ethischen Aspekten. Darüber hinaus wird auf verschiedene Studien verwiesen, bei denen indes das Problem bestünde, „dass ein beträchtlicher Teil der bisherigen Forschung stark von den Anbietern der nicht-invasiven Pränataltests gefördert wurde.“ Auf diese Weise wird das Problem der Interessenkonflikte angesprochen.
5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG hinaus.
Eine Pressemitteilung haben wir dazu nicht gefunden, indes ausreichende Anzeichen, dass eine Pressemitteilung nicht alleinige Quelle des Artikels war.
6. Der Beitrag macht klar, wie NEU der Ansatz wirklich ist.
Es wird erwähnt, dass der erste Bluttest im Jahr 2012 in Deutschland zugelassen wurde, und dass inzwischen weitere in Deutschland erhältlich sind.
7. Es werden ALTERNATIVE Tests vorgestellt.
Es werden alle bislang üblichen Pränataluntersuchungen vorgestellt, fast alle auch kurz erklärt, teilweise auch im Vergleich – Ultraschall, Nackenfaltenuntersuchung im Ultraschall, Amniozentese, Chorionzottenbiopsie, Chordozentese. Auch der Triple-Test wird erwähnt, allerdings nicht weiter erklärt.
8. Es wird klar, ob oder wann ein Test VERFÜGBAR ist.
Es wird deutlich, dass der Test bzw. die Tests in Deutschland verfügbar sind. Es wird nicht explizit erklärt, ob man die Tests über den Frauenarzt bekommen kann, oder wo man sie durchführen lassen kann. Daher nur knapp erfüllt.
9. Der Beitrag geht (angemessen) auf die KOSTEN ein.
Die Kosten werden detailliert thematisiert: „Er kostet heute [2017, Anmerkung der Redaktion] in der günstigsten Variante 199 Euro. Mittlerweile gibt es weitere Anbieter: Die Cenata GmbH aus Tübingen bietet ab 249 Euro den „Harmony Test“ an, die Labore von Amedes buhlen mit dem „Panorama-Test“ zu Preisen ab 449 Euro um Kunden, und das Zentrum für Humangenetik und Laboratoriumsdiagnostik Martinsried verkauft seinen Test unter dem Namen „Prenatalis“ ab 428 Euro.“ Auch wird darauf eingegangen, dass die Kosten von einigen Krankenkassen übernommen werden, von anderen nicht und dass zunächst eine Analyse des IQWiG durchgeführt werden muss, bevor die Krankenkassen generell die Kosten übernehmen werden.
10. Der Beitrag vermeidet Krankheitsübertreibungen/-erfindungen (DISEASE MONGERING).
Die Trisomie 21 oder andere Chromosomenaberrationen werden nicht übertrieben dargestellt. Es wird auf ethische Aspekte und die Folgen für den gesellschaftlichen Blick auf Menschen mit diesen Aberrationen eingegangen, doch auch da findet die Darlegung ohne Übertreibung oder Erfindung statt.
Dass es auch umstritten ist, Trisomie 21 als Krankheit zu bezeichnen, hätte die Darstellung vervollständigt. Siehe dazu zum Beispiel der Hinweis auf der Seite des Deutschen Down-Syndrom Infocenters: https://www.ds-infocenter.de/html/dswasistdas.html „Das Down-Syndrom ist somit eine genetisch bedingte, nicht veränderbare Veranlagung, es ist keine Krankheit.“
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich.
Im Jahr 2017 stand die Bewertung des IQWiG zu den Pränataltests an. Daher hatte das Thema eine hohe Aktualität. Zudem sind diese Bluttests ohnehin ein sehr relevantes Thema, da sie für Schwangere eine – dem Eingriff nach – risikoarme Prozedur darstellen, gleichzeitig aber ethische Fragen aufwerfen.
2. Die journalistische Umsetzung des Themas ist gelungen? (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)
In besonnener und ausgewogener Weise wird das Thema in Form eines Frage-Antwort-Formats dargestellt. Das sehr informativ und übersichtlich, indes auch nicht besonders spannend ist. Kritische Stimmen kommen zu Wort, es werden viele verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet. Auch ist die Sprache laiengerecht und die Struktur logisch und verständlich.
3. Die Fakten sind richtig dargestellt?
Faktenfehler sind uns keine aufgefallen.
Medizinjournalistische Kriterien: 9 von 10 erfüllt
Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt
Zusammenfassung