Bewertet am 23. Juli 2019
Veröffentlicht von: Sächsische Zeitung

Der Artikel aus dem Mai 2017 liefert zwar zur Aussagekraft des nicht-invasiven Pränataltests (NIPT) und möglichen Risiken und Nebenwirkungen zu wenige Informationen, dafür gibt es Einschätzungen von verschiedenen ExpertInnen und hinreichende Angaben zu den Kosten. Auch der Medizin-Experte und die Studenten-Teams beurteilten den Text als durchschnittlich.

Zusammenfassung

Der ausführliche Artikel in der Sächsischen Zeitung aus dem Mai 2017 beleuchtet das Thema Pränataluntersuchungen und der nicht-invasive Pränataltest (NIPT) von vielen Seiten, eingerahmt in den konkreten Fall eines jungen Paares. Dabei werden indes weder die Aussagekraft noch die Risiken und Nebenwirkungen hinreichend erläutert. Auch bleibt offen, wie gut die Aussagen zum Test durch Studien belegt sind. Es kommen viele verschiedene ExpertenInnen zu Wort, auch werden Alternativen zum NIPT erläutert. Wie neu der Test indes ist, wird nicht richtig erklärt. Sehr schön werden die Kosten erläutert, die Informationen zur Verfügbarkeit könnten ausführlicher sein, ebenso die Angaben zu den Erkrankungen, auf die getestet wird, insbesondere deren tatsächliche Seltenheit. Ein durchaus gut lesbarer Text, der klar macht, dass Tests nur eine sehr begrenzte Gewissheit liefern, der indes Begriffe wie Genauigkeit der Tests oder der Unterschied zwischen (Verdachts-)Befund und Diagnose nicht hinreichend erläutert.

Medizin-ExpertIn

Ein insgesamt durchschnittlicher Text mit guten, aber auch weniger guten Aspekten. … Mehr

StudentInnen-Teams

Auch die Studententeams fanden Licht und Schatten bei diesem Artikel. … Mehr

Title

Medizinjournalistische Kriterien

1. Die Aussagekraft/der NUTZEN ist ausreichend und verständlich dargestellt.

Zur Aussagekraft des Nicht-Invasiven-Pränataltest (NIPT) heißt es zwar: „Parallel läuft ein Bewertungsverfahren zum NIPT. Darin wird diese nicht invasive Untersuchung hinsichtlich ihrer Aussagekraft und der Risiken mit der etablierten Fruchtwasserpunktion und der Gewebeentnahme aus der Plazenta verglichen.“ Doch da der Test seit 2012 auf dem Markt ist, sollte es zumindest einige Daten zu Aspekten wie der Sensitivität, Spezifität (oder gar dem prädiktiven Wert) geben. Im Artikel werden diese indes nicht genannt. Es heißt zwar: die Aussagekraft von NIPT plus Ultraschall liege bei über 99 Prozent und 90 Prozent beim Erstrimesterscreening. Diese Angaben reichen indes nicht aus für eine ausreichende Beschreibung der Aussagekraft der Tests, zumal nicht klar ist, um welche der nötigen Werte es sich eigentlich handelt. Es wird indes vermittelt, dass NIPT plus Ultraschall zusammen eine bessere Aussagekraft liefern als das Ersttrimesterscreening.

2. RISIKEN und Nebenwirkungen werden angemessen berücksichtigt.

Es gibt keine konkreten Aussagen dazu, dass solche Tests falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse liefern. Dies wird nur indirekt unter dem Aspekt der Unsicherheit abgehandelt, indem deutlich wird, dass ein solcher Test „nur eine statistische Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung oder Behinderung ermittelt. Wir können nicht sagen, ob das Kind gesund oder krank zur Welt kommt.“

Positiv ist, dass die gravierenden psychischen Belastungen für die Eltern, wenn Sie erfahren, dass ihr Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit behindert sein wird, beschrieben werden. Daher werten wir nur knapp „nicht erfüllt“.

3. Die Qualität der Evidenz (STUDIEN) wird richtig eingeordnet.

Zum NIPT wird zwar berichtet, dass hinsichtlich seiner Aussagekraft im Vergleich zu Fruchtwasserpunktion und der Gewebeentnahme erst ein Bewertungsverfahren läuft. Wie gut der NIPT indes bisher in Studien untersucht ist, wird nicht deutlich.

4. Es werden weitere EXPERTEN/Quellen zitiert und es wird auf INTERESSENSKONFLIKTE hingewiesen.

Es kommen verschiedene Experten zu Wort: der Arzt, der das Verfahren anbietet, die Autorin eines Buchs zum Thema, eine Beraterin von Pro Familia und eine Psychologin.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG hinaus.

Der Beitrag nutzt eine Vielzahl von Quellen und basiert offensichtlich nicht auf einer Pressemitteilung.

6. Der Beitrag macht klar, wie NEU der Ansatz wirklich ist.

Der Artikel berichtet zwar, dass es sich bei dem NIPT um „die neueste Entwicklung“ handele. Tatsächlich ist der Test indes schon seit 2012 auf dem Markt und damit auch nicht mehr so neu. Was das Neue an diesem Test war bzw. ist, ergibt sich zudem nur indirekt, wenn erklärt wird, was der Test macht.

Richtigerweise werden die anderen Verfahren als „etabliert“ gekennzeichnet. Seit wann die einzelnen Verfahren schon angeboten werden, erfahren Leserinnen und Leser aber auch nicht. Wir werten nur knapp „nicht erfüllt“.

7. Es werden ALTERNATIVE Tests vorgestellt.

Der Beitrag spricht neben dem NIPT das Ersttrimesterscreening und die invasiven Verfahren an.

8. Es wird klar, ob oder wann ein Test VERFÜGBAR ist.

Es wird klar, dass der Test und auch die anderen Verfahren generell verfügbar sind, zumindest in einer Spezialsprechstunde der Uniklinik Dresden. Wie verbreitet das Angebot darüber hinaus in der Region ist, erfährt man indes nicht, daher werten wir nur knapp erfüllt.

9. Der Beitrag geht (angemessen) auf die KOSTEN ein.

Der Text geht ausführlich auf die Kosten ein: „Tests sind nur im Ausnahmefall Kassenleistung. Viele Krankenkassen bieten Schwangeren aber ein Budget, aus dem sie solche Untersuchungen bezahlen können. 30 von 100 Selbstzahlerleistungen werden laut Verbraucherzentrale NRW in Frauenarztpraxen angeboten.“ Die Kosten des NIPT werden konkret benannt (200 – 400 Euro).

10. Der Beitrag vermeidet Krankheitsübertreibungen/-erfindungen (DISEASE MONGERING).

Der Beitrag spricht verschiedene Erkrankungen an, die durch die genannten Tests festgestellt werden können. Durch die ausführliche Darstellung kann der Eindruck entstehen, dass es sich hier um sehr häufige Probleme handelt. Es fehlt eine Einordnung, wie häufig die einzelnen Anomalien tatsächlich sind. Da ansonsten die Erkrankungen nicht übertrieben negativ dargestellt werden, werten wir nur knapp „nicht erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich.

Ein aktueller Anlass ist nicht erkennbar, aber das Thema Früherkennungsuntersuchungen während der Schwangerschaft ist dauerhaft relevant. Wir werten knapp „erfüllt“.

2. Die journalistische Umsetzung des Themas ist gelungen? (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Text ist gut lesbar, bezieht verschiedene Perspektiven ein und versucht zu erklären, was die Tests aussagen können und was nicht. Gut ist die klare Aussage, dass solche Tests nur sehr begrenzt Gewissheit geben können. Das Fallbeispiel rahmt die Darstellung des Tests zwar ein, spielt aber sonst im Text keine konkrete Rolle. Problematisch ist, dass im Text verschiedene Konzepte wie z. B. Genauigkeit der Tests, der Unterschied zwischen (Verdachts-)Befund und Diagnose, nicht hinreichend erklärt werden. Daher werten wir, wenn auch knapp, nur knapp „erfüllt“.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt?

Konkrete Faktenfehler haben wir keine gefunden.

Medizinjournalistische Kriterien: 5 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

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Zusammenfassung

Positiv ist, dass der Artikel deutlich macht, unterwelchem Druck und in welchem seelischen Ausnahmezustand Schwangere heute stehen. Positiv ist auch die Zahl und Vielfalt der zitierten ExpertInnen. Indes bleibt völlig offen, wie gut die auch oft nur vagen Aussagen etwa zur Aussagekraft durch Studien belegt sind. Es werden die etablierten Alternativen angesprochen, und die Kosten konkret benannt. Die Angaben zur Verfügbarkeit sind gerade noch hinreichend, im Gegensatz zur Information, wie alt oder neu der Test ist. Es wird bemängelt, dass ein weiteres Schwangerenbeispiel fehlt, dass eine andere Sichtweise (entspanntere Sicht auf das Thema Schwangerschaft) repräsentiert. Titel und Vorspann gefallen, der Artikel ist nicht zu lang. Der Text springt mehrfach zwischen den Verfahren ‚Erstsemester-Screening‘, ‚Bluttest‘ und ‚Ultraschall‘ hin und her, was LeserInnen verwirren kann. (Bewertung: 3 Sterne)
Ein insgesamt positiv durchschnittlicher Artikel, der indes keine ausreichenden Angaben zur Aussagekraft des NIPT macht, aber die psychische Belastung für die Schwangeren gut verdeutlicht. Es gibt hinreichende Informationen zu den Alternativen, der Verfügbarkeit (mit Abstrichen) und den Kosten, und es kommen zahlreiche Experten zu Wort, ohne dass indes klar würde, wie gut die Studienlage zum Test ausfällt. Der Artikel ist weitgehend gut verständlich, die wenigen Fachbegriffe werden Laien gut erklärt. Das betroffene Paar zur Rahmung des Artikels und als personalisiertes Beispiel löst die Problematik aus der Abstraktion, erscheint indes auch wenig einfallsreich. Soziale Folgen wie der gesellschaftliche Druck zur Diagnostik und zur Abtreibung, werden thematisiert, auch dass es generell bei dem Thema eine Planbarkeit  (Titelfrage) nur sehr eingeschränkt gibt, weil trotz aller Tests ein letzter Rest Unsicherheit bleibt. (Einzelwertungen der Teams: 3 Sterne, 3 Sterne, 4 Sterne)

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar