Die Neue Zürcher Zeitung (online) berichtet, dass hochdosiertes Kortison laut einer deutschen Studie wider Erwarten nicht besser gegen einen Hörsturz hilft als die Standardtherapie, dafür aber mehr Nebenwirkungen hat. Selbst die Standardtherapie mit Kortison ist womöglich ohne Wirkung, so eine vorsichtige Schlussfolgerung der Studie und des Artikels. Der fehlende Nutzen wird im journalistischen Beitrag zwar beschrieben, doch werden weder absolute noch relative Zahlen dazu genannt. Der Artikel macht klar, wie weit verbreitet die Therapien sind – und was das Neue an der Studie ist. Auf Kosten geht der Text hingegen nicht ein, auch kommen keine unbeteiligten Experten zu Wort.
Ein journalistischer Beitrag in der Rheinischen Post (online) berichtet über ein spannendes neues Wirkprinzip für potenzielle Alzheimer-Medikamente. Doch verlässt sich der Artikel unkritisch auf die Pressemitteilung des Forschungsinstituts und die Firmenangaben, sucht keine Einordnung und unterlässt es, eine unabhängige, einordnende Stimme einzuholen. Die enthusiastische Unterstellung, es könnte hier für Millionen Betroffene ein wirksamer Therapieansatz entstehen, weckt angesichts der frühen Phase der klinischen Entwicklung unberechtigte Hoffnung für Patient*innen und deren Angehörige.
Wie lange die Wirkung der „Abnehmspritze“ Tirzepatid nach Absetzen der Therapie noch anhält, hat eine aktuelle Studie untersucht. Dies hat ein Artikel der Berliner Morgenpost (online) zum Anlass genommen, um über den Wirkstoff zu berichten. Dass es zu einem Jojo-Effekt kommt, wird im Text erklärt, und dass das Medikament offensichtlich dauerhaft eingenommen werden muss, um eine langfristige Gewichtsabnahme zu erreichen. Der Beitrag beschreibt die Studienergebnisse noch ausreichend gut; er bezieht zwei unabhängige Expertinnen ein, um den Nutzen der Therapie kritisch einzuordnen. Allerdings erfahren die Leserinnen und Leser nicht, dass der Hersteller von Tirzepatid die Studie finanziert hat.
‚Kürzer krank mit Kurkuma‘ heißt die Überschrift eines Artikels in der Schweizer Regionalzeitung „St. Galler Tagblatt“ (online / Paywall). Im Artikel wird korrekt beschrieben, dass in einer japanischen Studie Probanden weniger oft und weniger lang an typischen Erkältungssymptomen litten, wenn sie zweimal täglich ein Kurkuma-Präparat erhielten, im Vergleich zur Kontrollgruppe. Der Studienaufbau wird allerdings nur teilweise beschrieben, auf mögliche Risiken der Kurkuma-Einnahme geht der Artikel leider gar nicht ein. Auch die Kosten werden im Text nicht thematisiert.
Ein journalistischer Beitrag der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (online) beschreibt eine Studie, in der es chinesischen Forschenden gelang, die Fruchtbarkeit alternder Mäuseweibchen durch die Gabe von Spermidin zu verlängern. Die Qualität der Eizellen habe sich verbessert, heißt es im Text, ohne jedoch die erzielten Effekte im Einzelnen zu benennen. Die verschiedenen Experimente und deren Ergebnisse werden nicht einmal exemplarisch beschrieben. Ob es Nebenwirkungen gab, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Die Studie wird durch eine Reproduktionsmedizinerin eingeordnet, die nicht an den Arbeiten beteiligt war, damit geht der Beitrag immerhin über die Pressemitteilung hinaus.
Ein Artikel des Hamburger Abendblatts (online) berichtet, dass eine Behandlung mit medizinischem Cannabis bei chronischen neuropathischen Schmerzen hilfreich sein kann. Das ist das Fazit einer retrospektiven Studie mit 99 Patienten und Patientinnen, die Mitte August im Fachblatt Medical Cannabis and Cannabinoids (online) veröffentlicht wurde. Im journalistischen Beitrag werden die Ergebnisse knapp vorgestellt, ohne wesentlich über die Pressemitteilung der Algea Care GmbH hinauszugehen – einem Unternehmen, das eine Plattform für die ärztliche Behandlung mit medizinischem Cannabis anbietet und die Patientendaten zur Verfügung gestellt hat. Manche Formulierungen im Beitrag sind missverständlich, die Ergebnisse der Studie werden nicht eingeordnet und leider kommen auch keine unabhängige Expert*innen zu Wort.
Ein Artikel der Berliner Morgenpost (online) berichtet, dass schon weniger als 10.000 Schritte pro Tag die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Leiden senken. Der journalistische Beitrag nimmt dabei eine aktuelle Studie zum Anlass, um die allseits bekannte Empfehlung zur täglichen Schrittzahl in Frage zu stellen. Der Nutzen wird im Artikel noch hinreichend, wenn auch übertrieben dargestellt, das Thema Risiken und Nebenwirkungen wird hingegen gar nicht angesprochen. Deutlich wird allerdings, woher die 10.000-Schritte-Regel stammt, was für viele Leserinnen und Leser erhellend sein dürfte.
Ein Artikel in der Badischen Zeitung (online / Paywall) berichtet über die grundlegende Erforschung eines neuartigen Corona-Impfstoffs an Hamstern. Dabei stellt er den bisher erkennbaren Nutzen verständlich dar, geht aber nicht auf mögliche Risiken ein. Die schon verfügbaren Alternativen zu dem neuartigen Impfstoff kommen zur Sprache und die Qualität der Evidenz wird zumindest teilweise beschrieben. Dabei geht der Bericht über eine die Publikation begleitende Pressemitteilung hinaus und gewährt Einblicke in ein spannendes Forschungsprojekt. Der Text ist attraktiv geschrieben, geht teilweise aber so ins Detail, dass die Verständlichkeit darunter leidet.
Die Kriterien des
Medien-Doktor GESUNDHEIT
- POSITIVE EFFEKTE (NUTZEN)
- RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN
- VERFÜGBARKEIT
- ALTERNATIVEN
- KOSTEN
- KRANKHEITSÜBERTREIBUNG / -ERFINDUNG
- BELEGE / EVIDENZ
- EXPERTEN / QUELLENTRANSPARENZ
- INTERESSENKONFLIKTE
- EINORDNUNG IN DEN KONTEXT
- FAKTENTREUE
- JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG
- ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG
- VERSTÄNDLICHKEIT
- THEMENAUSWAHL