Der Gütertransport mit Lkw trägt erheblich zu den Kohlendioxidemissionen des Straßenverkehrs bei. Eine Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für System und Innovationsforschung stellt eine Studie vor, die untersucht, ob Hybrid-Oberleitungs-Lkw hier Abhilfe schaffen könnten. Wie viel CO2 konkret eingespart werden könnte, berichtet der für Laien wenig attraktive Text jedoch nicht.
Zusammenfassung
Oberleitungs-Lkw könnten prinzipiell dazu beitragen, die CO2-Emissionen aus dem Straßengüterverkehr zu verringern. Das berichtet eine Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für System und Innovationsforschung. Sie beschreibt mögliche Vorteile, aber auch Schwierigkeiten, die mit der Einführung dieser Technologie verbunden wären. Dabei wird deutlich, dass es Unsicherheiten gibt und weiterer Forschungsbedarf besteht.
Andere Optionen zur Verringerung der Emissionen spricht der Text nicht an: Welche Ansätze gäbe es beispielsweise zur Vermeidung von Güterverkehr? Wie ist der „ökologische Fußabdruck“ der Hybrid-Oberleitungs-Lkw im Vergleich zur Verlagerung von Gütertransport auf die Schiene? Investitionskosten für die Ausstattung von 4000 bis 5000 Autobahnkilometern mit Oberleitungen sind in der Pressemitteilung genannt, doch fehlen Vergleiche, die Laien die Einordnung der Zahlen ermöglichen würden. Auch sonst bemüht der Text sich nicht, Bezüge zum Alltag von Leserinnen und Lesern herzustellen, oder das Thema für Laien attraktiv umzusetzen.
Allgemeine Anforderungen
1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.
Die in der Pressemitteilung genannten Fakten sind korrekt und sachlich dargestellt. Allerdings fehlt an vielen Punkten die Einordnung. So wird nur einmal am Anfang durch die Nennung des Titels der Studie erwähnt, dass es um Hybrid-Oberleitungs-Lkw geht. Dieses hätte näher erläutert werden müssen, stattdessen ist im weiteren Text nur noch von Oberleitungs-Lkw die Rede, nicht aber davon, dass diese zusätzlich einen Dieselmotor haben würden.
Es werden Investitionen von 8 bis 12 Mrd. Euro genannt, diese seien im Vergleich zum Ausbau anderer Infrastrukturen „nicht besonders hoch“. Ohne konkreten Bezug ist dies für Leserinnen und Leser nicht nachvollziehbar. Mit welchen anderen Infrastrukturen wird hier verglichen?
Der Text enthält keine Information darüber, wie ein Oberleitungsbetrieb für Lkw auf Autobahnen praktisch aussehen würde – inwiefern etwa gäbe es Sichtbeeinträchtigungen für Anwohner? In der Studie ist davon nicht die Rede, sondern nur von eventuellen Sichtbeeinträchtigungen für Autobahnnutzer.
Auch für die Angabe, es gäbe eine „derzeit noch eingeschränkte Akzeptanz bei Lkw-Herstellern“ wäre ein Beleg gut gewesen – woher weißt man das, gab es dazu eine Befragung?
Wir werten insgesamt „eher nicht erfüllt“.
2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.
Die Pressemitteilung nennt als einzige Quelle die Studie des Fraunhofer Instituts, auf die sie sich bezieht. Der Text erläutert dabei sachlich den derzeitigen Kenntnisstand zum Thema und auch die Schwierigkeiten eines solchen Pilotvorhabens. Es werden neben den Hybrid-Oberleitungs-Lkw auch andere in der Studie diskutierte Ansätze genannt, wie Brennstoffzellen-Lkw. Jedoch fehlt eine generelle Auseinandersetzung mit dem wachsenden Lkw-Verkehr. Ist dieser wirklich unausweichlich nötig oder lässt sich der Güterverkehr womöglich verringern / begrenzen? Wie wäre der „ökologische Fußabdruck“ der Hybrid-Oberleitungs-Lkw im Vergleich zur Verlagerung auf die Schiene? Da solche Fragestellungen gänzlich ausgeblendet werden, werten wir insgesamt „eher nicht erfüllt“.
3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.
Die Studie, die in der Pressemitteilung vorgestellt wird, ist als Quelle mit vollem Titel angegeben und verlinkt. Auch der Leiter der Studie, das Institut und der Auftraggeber werden klar und eindeutig genannt.
4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.
Der Text ist eine Pressemitteilung, daher ist das Kriterium nicht anwendbar.
Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus
5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme
Der Text benennt im Einstieg den Anteil des Güterverkehrs auf der Straße an den Verkehrsemissionen insgesamt („Der Straßengüterverkehr ist für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich.“). Insofern ist hier der Lkw-Verkehr als Verursacher dargestellt. Es fehlt allerdings an Hintergründen – warum wächst der Lkw-Verkehr? Wer ist dafür verantwortlich? Da dies jedoch nicht das zentrale Thema des Textes und der Studie ist, werten wir insgesamt „eher erfüllt“.
6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.
Der Text kann zwar zu keinem seiner Punkte sichere Aussagen treffen. Er macht dies aber deutlich, und weist darauf hin, dass noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Es wird klar, dass Zeiträume und Finanzierungsweise offen sind und die Umsetzung auf EU-Ebene abgestimmt werden müsste.
Gut hätten wir es gefunden, wenn deutlicher gemacht würde, wie einzelne Aussagen belegt sind, beispielweise „die derzeit noch eingeschränkte Akzeptanz bei Lkw-Herstellern“ – wie wurde diese ermittelt?
7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.
Eine bestimmte technische Lösung ist das Kernthema des Textes. Er nennt allerdings kaum Alternativen zu den Hybrid-Oberleitungs-Lkw, die im Zentrum der Pressemitteilung stehen. Lediglich Brennstoffzellen als Lkw-Antrieb werden erwähnt, ohne aber diese Alternative näher zu beleuchten. Insbesondere die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn bleibt außen vor, siehe dazu Kriterium 2. Insgesamt werten wir „eher erfüllt“.
8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.
Die Pressemittelung bemüht sich nicht, etwa in der Einleitung oder in einem Ausblick am Ende, eine Verbindung zwischen dem Forschungsthema und dem Alltag von Leserinnen und Lesern herzustellen. Dass auch die Verhaltensweisen von Konsumenten zum wachsenden Lkw-Verkehr beitragen, etwa durch Bestellungen im Online-Versandhandel, spricht der Text nicht an. Daher werten wir „eher nicht erfüllt“.
9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.
Zu Beginn findet sich ein knapper Verweis darauf, dass es weltweit Pilotvorhaben für Oberleitungs-Lkw gibt. Dazu hätten wir uns Genaueres gewünscht: Welche Projekte laufen wo, welche Praxis-Erfahrungen wurden andernorts vielleicht schon gemacht? Weiter gefasste Zusammenhänge, wie die Entwicklung der Konsumgesellschaft und den globalen Welthandel streift der Text nicht einmal. Damit fehlt die Einordnung der Studie in einen größeren gesellschaftlichen Kontext.
Wir werten insgesamt „eher nicht erfüllt“.
10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.
Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch den Straßenverkehr ist ein relevantes Umweltthema. Die Bedeutung des Themas und die Notwendigkeit langfristiger Lösungen wird in der Pressemitteilung deutlich.
11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.
Die Pressemitteilung betont, dass es wichtig sei, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die durch den Güterverkehr verursacht werden. Doch die Öko-Bilanz eines solchen Projekts, die Kosten für die Umrüstung von Lkw auf Oberleitungsbetrieb bzw. die Anschaffung neuer Lkw, die Unterhaltungskosten eines solchen Netzes – alles das bleibt offen. Auch wenn es hierfür noch keine Antworten gibt, hätten diese Aspekte zumindest erwähnt werden sollen. Wir werten daher „eher nicht erfüllt“.
Darstellung
12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.
Das Thema um das es geht – Lkw auf ihrem Weg über Autobahnen mit Strom über Oberleitungen zu versorgen – wird nicht so vorgestellt, dass Laien eine Vorstellung von seiner praktischen Funktionsweise erhalten. Naheliegende Fragen beantwortet der Text nicht, etwa: Wie hoch ist der Anteil der angesprochenen 4000 bis 5000 Autobahnkilometer am Gesamtnetz? Ohne diese Angabe ist die Zahl nicht einzuordnen. Was genau ist mit der „staatlichen Vorfinanzierung“ der Oberleitungen gemeint – soll der Steuerzahler dafür aufkommen oder würden die Kosten am Ende auf die Spediteure umgelegt? Wie hoch wären die Kosten pro Lkw und was genau würde dieser Ansatz für die Reduktion von Treibhausgasen bringen?
13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.
Für Leserinnen und Leser, die am Thema interessiert sind, ist der Text durchaus lesbar. Er bemüht sich aber nicht um eine attraktive Darstellung, die einen größeren Leserkreis gewinnen könnte. Sprachlich ist er wenig ansprechend, mit vielen Substantivierungen („Flexibilitätseinbußen bei der Einsatzplanung“, „um eine Dekarbonisierung zu erreichen“) und z.T. unübersichtlichen Satzkonstruktionen („Aufgrund ihrer im Vergleich zum Diesel-Lkw höheren Wirkungsgrade können Oberleitungs-Lkw bei Verwendung von Strom aus überwiegend erneuerbaren Energiequellen entscheidend zur Reduktion der Treibhausgasemissionen des stark wachsenden straßengebundenen Güterfernverkehrs beitragen.“). Fragwürdig finden wir den Begriff „relevante Hürden“. Eine Hürde ist immer relevant, sonst ist sie keine Hürde, „irrelevante Hürden“ gibt es nicht.
Hilfreich wären Tabellen oder Grafiken gewesen, die die wesentlichen Informationen , etwa zu Reichweiten und Wirkungsgraden, anschaulich darstellen.