Durch die Erwärmung der Luft über der Antarktis könnte es in einigen Jahrzehnten dazu kommen, dass eine auf dem Meer schwimmende Eisplatte, das Filchner-Ronne-Schelfeis, zu schmelzen beginnt. Das prognostizieren Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts anhand von Modellrechnungen. Die Pressemitteilung dazu stellt den Vorgang ausführlich dar, ist jedoch für Laien nur teilweise verständlich. Der Text weist zwar darauf hin, dass es sich um Modelrechnungen handelt, erläutert aber in der Studie genannte Unsicherheiten nicht.
Zusammenfassung
Eine unumkehrbare Ozeanerwärmung bedrohe das Filchner-Ronne-Schelfeis, so eine Pressemitteilung des Alfred-Wegener-Instituts. Vorgestellt wird ein Fachartikel, den Wissenschaftler dieser Einrichtung für Polar- und Meeresforschung publiziert haben. Anders als es die Überschrift nahelegt, geht es nicht um die Erwärmung der Ozeane insgesamt, sondern um speziell um einen sich selbst verstärkenden Prozess, der für eine Region der Antarktis prognostiziert wird. Ab 2070 könne er dazu führen, dass das Filchner-Ronne-Schelfeis abschmelzen und schließlich ganz zusammenbrechen werde. Dass es sich hierbei um Modellrechnungen handelt, macht die Pressemitteilung ausreichend klar. Doch über die damit verbundenen Unsicherheiten, die der Fachartikel erwähnt, berichtet sie nicht. Das Thema ist relevant, nicht zuletzt wegen der möglichen Auswirkungen auf den Meeresspiegel. Wir hätten uns gewünscht, dass solche Folgen auch in der Pressemitteilung angesprochen werden. Eine gelungene Grafik erhöht die Attraktivität des Beitrags; der Text jedoch zielt offensichtlich auf ein vorinformiertes Publikum und ist für Laien zu fachlich formuliert.
Allgemeine Anforderungen
1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.
Die genannten Fakten entsprechen – soweit von uns feststellbar – der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Publikation. Sie werden korrekt beschrieben und mit Zitaten der beteiligten Wissenschaftler untermauert. Wir konnten keine Faktenfehler feststellen. Die Pressemitteilung macht deutlich, dass bestimmte Aussagen auf Simulationen beruhen. Das bedeutet nicht, dass diese Darstellungen nicht korrekt wären, da erwähnt wird, dass es sich hierbei um Prognosen handelt, die auf bestimmten Modellen beruhen. Etwas irreführend ist der Titel, siehe dazu Kriterien 9 und 12.
2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.
Der Text ist sachlich formuliert. Da es sich um eine Pressemitteilung über eine wissenschaftliche Publikation handelt, bezieht sich der Text nur auf diese eine Quelle. Da der Text aber insgesamt sehr sachlich und nüchtern-informativ gehalten ist, gewichten wir das bei einer Pressemitteilung stärker als das Fehlen einer zweiten Quelle und werten „eher erfüllt“.
3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.
Der Beitrag nennt die Quellen und verdeutlicht, dass dem Text eine wissenschaftliche Publikation zugrunde liegt. Die Pressemitteilung enthält die genaue Literaturangabe samt Link zum Volltext des Fachartikels. Die Forschungseinrichtung und die beteiligten Wissenschaftler sind genannt. Zu Interessenkonflikten gibt es keine Aussagen, es gibt aber auch in der Fachpublikation keine Hinweise auf Interessenkonflikte der Autoren.
4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.
Da es sich bei dem Text um eine Pressemitteilung handelt, ist das Kriterium nicht anwendbar.
Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus
5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme
Als Ursache für das Schmelzen der Schelfeisunterseite wird die ansteigende Lufttemperatur über dem antarktischen Weddellmeer genannt. Es wird erläutert, wie diese Klimaveränderung dazu führen könnte, dass wärmeres Wasser unter das Schelfeis strömt. Die Ursachen des Klimawandels (Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, Treibhauseffekt) werden im Text nicht weiter thematisiert. Sie können aber als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.
6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.
Da es sich bei der thematisierten Problematik vor allem um ein zukünftiges Problem handelt, berichtet die Pressemitteilung – wie die Fachpublikation – über Prognosen auf wissenschaftlicher Grundlage. Es wird klar, dass Voraussagen eines Expertenteams dargestellt werden, die auf bestimmten Datensätzen, Annahmen und Simulationen beruhen. Auch diese werden konkret genannt (z.B. Daten des Met Office Hadley Centre in Exeter). Dabei hätte allerdings deutlicher gemacht werden können, welche Unsicherheiten in den Modellen bzw. den Annahmen, die zur Berechnung verwendet wurden, enthalten sind. Insgesamt werten wir daher nicht „voll“ sondern „eher erfüllt“.
7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.
Die Pressemitteilung erwähnt keine Lösungsvorschläge. Doch gibt es unseres Wissens auch keine speziellen Lösungsansätze für die prognostizierte Situation in der Antarktis. Allenfalls könnte man Allgemeines zum Klimaschutz ausführen. Das aber ist nicht Sinn des Textes und in der Pressemitteilung zu einer solchen Fachpublikation nicht zu erwarten. Wir wenden das Kriterium daher nicht an.
8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.
Ein Alltagsbezug wird nicht hergestellt. Unmittelbare Auswirkungen auf das Umfeld von Leserinnen und Lesern sind auch nicht zu erwarten. Doch liegt die Frage nahe, ob und wie stark sich die prognostizierte Eisschmelze auf den Anstieg des Meeresspiegels auswirken wird – und damit auch auf Regionen, die Leserinnen und Lesern näher sind als die ferne Antarktis. Da dieser Punkt nicht einmal kurz erwähnt wird, werten wir „nicht erfüllt“.
9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.
Der Text beschreibt ein räumlich begrenztes Phänomen in einer Region der Antarktis (Filchner-Ronne-Schelfeis) und erwähnt eine weitere Region (Amundsenmeer), in der vergleichbare Vorgänge bereits beobachtet werden. Doch eine Einordnung in den größeren räumlichen Zusammenhang fehlt weitgehend, obwohl die Überschrift anderes vermuten lässt (siehe Kriterium 12). Wie wirkt es sich aus, wenn Eis aus dem Antarktischen Eisschild beschleunigt abfließt? Mögliche Folgen über das lokale Ereignis hinaus, wie z.B. der Anstieg des Meeresspiegels oder andere großräumige Veränderungen, werden nicht angesprochen. Insgesamt werten wir daher „eher nicht erfüllt“.
10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.
Der Beitrag bezieht sich auf aktuelle Forschungsergebnisse. In der Studie und in der Pressemitteilung dazu wird ein Fallbeispiel für ein langfristig relevantes Problem – die fortdauernde Eisschmelze in der Antarktis – präsentiert.
11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.
Die Pressemitteilung beschreibt Schmelzvorgänge in Antarktis in der Gegenwart (Amundsenmeer) und in der Zukunft ab ca. 2070 (Filchner-Ronne-Schelfeis). Es wird deutlich gemacht, dass die Problematik erhebliche Folgen für die Zukunft haben wird und der Prozess – sobald er einmal eingesetzt hat – nicht mehr zu stoppen ist.
Darstellung
12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.
Der Titel ist verwirrend, legt er doch nahe, dass es um die Ozeanerwärmung insgesamt geht. Tatsächlich werde dann ausschließlich Vorgänge in einer bestimmten Region der Antarktis dargestellt. Das Phänomen ist kompliziert; es ist in der Pressemitteilung zwar recht ausführlich beschrieben, aber für Laien werden die Vorgänge nicht wirklich nachvollziehbar erklärt, und es bleiben Fragen offen, z.B.: Wieso wird Salz freigesetzt wenn sich Meereis bildet? Es werden etliche ungeläufige Fachbegriffe verwendet, ohne diese zu erläutern, z.B.: Was ist ein „hydrographisches Bollwerk“? Das Zitat von Hartmut Hellmer am Ende des 4. Abschnitts wirkt aus dem Kontext gerissen: Es heißt, „die Hoffnung, dem Ozean würde irgendwann die Wärme ausgehen,“ sei vergebens. Doch von dieser Hoffnung war zuvor nicht die Rede, und es wird nicht klar, worauf sich diese Äußerung bezieht. Wir werten „eher nicht erfüllt“.
13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.
Das komplexe Thema wird mit Hilfe einer sehr schönen Graphik veranschaulicht. Diese erhöht die Attraktivität des Beitrags und hilft Leserinnen und Lesern, sich ein Bild von der Situation zu machen.