Bewertet am 15. Februar 2019
Veröffentlicht von: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Der „Wunderhalbleiter“ Perowskit könne dank eines neuen Verfahrens künftig für kostengünstige, biegsame und lichtdurchlässige Solarzellen eingesetzt werden, berichtet die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in einer Pressemitteilung. Verständlich erklärt wird das Verfahren indes nicht.

Zusammenfassung

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg stellt in einer Pressemitteilung ein Verfahren vor, das die Solarzellentechnologie „revolutionieren“ soll. Damit könnten kostengünstig dünne und biegsame Solarzellen auf der Basis des Halbleiters Perowskit hergestellt werden. Sie ließen sich beispielsweise an Fassaden oder in Fenstern einsetzen. Der Text bezieht sich auf eine Publikation im Fachmagazin „Science“ als einzige Quelle.

Es wird ausreichend deutlich, dass das Verfahren bislang nur im Labormaßstab erprobt wurde und vor dem praktischen Einsatz im Megawatt-Maßstab weiterer Forschungsbedarf besteht. Zukunftsbezogene Aussagen bleiben dabei vage. So erfahren Leserinnen und Leser nicht, wie „langlebig“ Perowskit-Solarzellen in etwa sind, oder wann derartige Solarzellen marktreif werden könnten. Es gibt eine konkrete Zahlenangabe zum Wirkungsgrad, doch wird diese nicht durch Vergleiche eingeordnet. Problematische Aspekte wie der Einsatz von Blei in den Perowskit-Solarzellen erwähnt die Pressemitteilung nicht.

Die Wortwahl scheint oft übertrieben, etwa mit der häufigen Verwendung von „extrem“, oder Begriffen wie „Wunderhalbleiter“ und „Durchbruch“. Ansonsten richtet sich die Pressemitteilung offensichtlich an ein einschlägig vorinformiertes Fachpublikum. Das Verfahren wird nicht erklärt, eine Vielzahl von Fachbegriffen wie „generisches Verfahren“ oder „dotieren“ macht den Text für Laien weitgehend unverständlich. Es fehlen Elemente, die die Pressemitteilung für Laien attraktiv machen könnten, etwa Grafiken, die den Aufbau der Solarzellen oder die Besonderheiten des neuen Verfahrens verdeutlichen.

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Allgemeine Anforderungen

1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.

Soweit wir es beurteilen konnten, sind die Fakten in der Pressemitteilung korrekt beschrieben. Die dargestellten Informationen sind hinreichend präzise, um sie nachvollziehen zu können. Eine Ausnahme bildet die Vorstellung des Minerals „Perosvskit“ – es fehlt eine Beschreibung, woraus es besteht. Der Wirkungsgrad des Materials wird – der wissenschaftlichen Publikation entsprechend – korrekt angegeben, aber nicht in Beziehung zum Wirkungsgrad herkömmlicher Silizium-Solaranlagen gesetzt; das macht eine Einordnung dieser Zahlenangabe für Laien schwierig. Fehlerhaft ist, laut Duden, die Schreibweise: Im Englischen heißt es Perovskite, im Deutschen Perowskit. Insgesamt werten wir noch „eher erfüllt“.

2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.

Die Pressemitteilung bezieht als einzige Quelle das Paper von Brabec et al. (2017) ein. Andere Standpunkte, wie beispielsweise die eines Vertreter/einer Vertreterin aus dem Bereich Architektur, Stadtplanung oder Produktion, oder eine unabhängige Stimme aus der Forschung, werden nicht einbezogen Hinzu kommt, dass nicht immer sachliche Formulierungen gewählt werden. Was unterscheidet „extrem biegsam“ von „biegsam“? Was unterscheidet „extrem kostengünstig“ von „kostengünstig“? Was unterscheidet „extrem zukunftsträchtig“ von „zukunftsträchtig“? Was bedeutet es, die gedruckte Solartechnologie zu „revolutionieren“? Daher werten wir „eher nicht erfüllt“.

3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.

Die Publikation in der Fachzeitschrift „Science“, auf die sich die Pressemitteilung stützt, ist nachvollziehbar angegeben, mit der in der Pressemitteilung genannten doi Nummer kann sie problemlos abgerufen werden. Der Materialforscher Christoph Brabec ist mit seiner Forschungseinrichtung benannt. Ein Interessenkonflikt ist für uns nicht erkennbar.

In der Fachpublikation steht, wer die Forschung finanziert, in der Pressemitteilung nicht. Weil die Finanzierung offenbar ausschließlich aus öffentlichen Fördertöpfen erfolgte, ist das aus unserer Sicht kein so gravierender Fehler; das Kriterium ist damit aber auch nicht voll, sondern „eher erfüllt“.

4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.

Es handelt sich um eine Pressemitteilung, daher ist das Kriterium nicht anwendbar.

Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus

5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme

Der Beitrag stellt kein Umweltproblem dar, sondern Fortschritte in der Materialforschung. Hintergrund ist der Klimawandel und die Notwendigkeit, erneuerbare Energien weiterzuentwickeln. Diese allgemeine Problematik hier weiter auszuführen, erscheint uns jedoch nicht sinnvoll. Auch eine Darstellung der ökologischen Probleme der Energiewirtschaft ist hier unseres Erachtens nicht zu verlangen. Wir wenden das Kriterium daher nicht an.

6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.

Der Beitrag beschreibet in erster Linie die Inhalte eines veröffentlichten wissenschaftlichen Papers, in dem der Lösungsansatz „neues Materialsystem für Solarzellen mit Perowskit“ und dessen Erprobung im Labormaßstab vorgestellt wird. Dass dieser noch nicht im Megawatt-Maßstab anwendbar ist und weiterer Forschungsbedarf besteht, wird deutlich, wenn auch nicht ganz klar wird, welche Probleme noch gelöst werden müssen. Auch erfährt man nicht, dass es mit dem bleihaltigen Material Probleme geben könnte (siehe auch Kriterium 7). Insgesamt werten wir nicht voll sondern „eher erfüllt“.

7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.

Der Text beschreibt einen Lösungsansatz, um Solarzellen auf Flächen einsetzen zu können, bei denen konventionelle Silizium-Elemente nicht nutzbar sind. Die gesamte Pressemitteilung dreht sich um den Lösungsvorschlag, Solarzellen mit Perowskit zu entwickeln und z.B. als Gestaltungselemente in der Architektur zu verwenden, um so eine kostengünstigere und effektivere Alternative zu den bisherigen Silizium-Solarzellen zu gewinnen. Es fehlt allerdings eine Einordnung des Lösungsansatzes. Weder wird klar, wie effektiv die Perowskit-Zellen im Vergleich zu Siliziumzellen sind, noch werden Probleme dieses Lösungsansatzes thematisiert. Bei Perowskit-Solarzellen scheint es laut der Fachveröffentlichung ein Bleiproblem zu geben und die Substitution durch Zinn noch nicht zu gelingen. Ein Hinweis darauf fehlt. Daher werten wir nur „eher erfüllt“.

8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.

Die Pressemitteilung beschreibt die Vorteile der Solarzellen mit Perowskit und nennt als mögliche Anwendungsbeispiele die Verwendung in der Architektur. Trotzdem zeigt die Mitteilung die alltägliche Relevanz dieser technischen Innovation nicht ausreichend auf. Wären die neuen Solarzellen für Wohnhäuser nutzbar? Welche weiteren Einsatzgebiete sind denkbar (z.B. bei Elektroautos)? Die Beschreibung der Verwendungsmöglichkeiten bleibt sehr allgemein. Ob die „Solarfabrik der Zukunft“ bereits alltagstaugliche Solarzellen produzieren soll, oder eher der Erprobung der neuen Technik dienen soll, bleibt unklar. Ob es überhaupt schon Perowskit-Solarzellen gibt, die praktisch genutzt werden, wird aus dem Beitrag ebenfalls nicht deutlich.

9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.

Wie bei allen Materialien gibt es den globalen Aspekt der Herkunft / Förderung / Extrahierung des Materials. Und die Frage der Knappheit bei höherer Nutzung. Das sollte bei einem Beitrag über Perowskit nicht fehlen, auch wenn das augenscheinlich unproblematisch ist. Die Pressemitteilung geht nicht auf Zusammenhänge zwischen globalen Phänomenen wie der Ressourcenknappheit (besonders in Bezug auf seltene Erden) und der vorgestellten technologischen Lösung ein. Dabei wären Aussagen dazu, ob beispielsweise durch die Verwendung von Perowskit die problematische Verwendung seltener Erden verringert werden könnte, sehr interessant.

10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.

Der Beitrag stellt einen aktuell publizierten Fortschritt in der Materialforschung dar. Anlass ist ein wissenschaftliches Paper über eine technische Innovation, die dazu beiträgt, die Produktion von Solarzellen kostengünstiger und Solarzellen effizienter zu machen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Mitteilung auf der technischen Seite. Die Relevanz hätte stärker herausgearbeitet werden können. Wie wichtig ist es beispielsweise, zusätzliche Flächen wie Fenster und Fassaden für die Fotovoltaik nutzen zu können? Insgesamt werten wir daher nicht voll sondern „eher erfüllt“.

11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.

Der Text verweist auf die Langlebigkeit von Solarzellen, die auf der neu entwickelten Technik, basieren.  Mit Ankündigungen wie „in wenigen Jahren“ werde es Solarmodule mit ähnlicher Effizienz wie Silizium geben, wirbt die Pressemitteilung für die vorgestellte Technik. Glaubwürdiger wäre beides, wenn dazu präzisere und begründete Aussagen gemacht würden. Alle Verweise auf künftige Entwicklungen bleiben vage.

Darstellung

12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.

Für einen Laien ist die Pressemitteilung nur sehr schwer verständlich. Fast jeder Satz enthält ein Fachwort, welches nicht näher erläutert wird. Angefangen mit der „Optoelektronik“, über „generisches Verfahren“ bis zur „Bauelementarchitektur“.  Was ist in diesem Zusammenhang mit „Grenzflächen“ gemeint? Warum sind sie inkompatibel? Was bedeutet dotieren? Was bedeutet „aus der Lösung“? Was bedeutet „aus der Schmelze gezogen“? Was sind „Hochvakuuumanlagen“, in Abgrenzung zu „Vakuumanlagen“? Auch fehlen jegliche Angaben, wie das Material im Vergleich zu anderen Materialien zur solaren Stromerzeugung einzuordnen ist (Wirkungsgrad, energetische Amortisation, Materialeinsatz, Haltbarkeit).

13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.

Die Pressemitteilung enthält viele Fakten und ist für Fachleute im Bereich der Energie- und Werkstoffwissenschaften sicherlich informativ und interessant. Nur für diese scheint sie verfasst zu sein. Für alle anderen Personen ist die Darstellung der Pressemitteilung nicht attraktiv. Es fehlen anschauliche Darstellungen, die z.B. den Aufbau der Solarzelle verständlich machen könnten, und ein roter Faden, der durch die Mitteilung führt. Im letzten Absatz wird der Wissenschaftler Christoph Brabec wörtlich zitiert. Der restliche Text bleibt trockene Beschreibung, oder es werden wenig gelungene Versuche unternommen, den Text mit Begriffen wie „Wunderhalbleiter“ oder „revolutionieren“ interessant zu machen. Es fehlen anschauliche Vergleiche (Ausnahme: „dünn wie Klarsichthüllen“). Der wiederholte Gebrauch von „extrem“ und „besonders“ wirkt auf Leserinnen und Leser eher ermüdend.

5 von 11 anwendbaren Kriterien „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar