Über gesunkene Feinstaubwerte in Stuttgart berichtet ein faktenreicher Beitrag in der ZEIT. Mögliche Ursachen der Entwicklung und Handlungsansätze werden benannt – und auch relativiert: Vielleicht sei es einfach die Wetterlage gewesen, die 2018 die Feinstaubsituation verbesserte. Die Zahlen und deren Bezüge zueinander hätten übersichtlicher und verständlicher dargestellt werden können, etwa durch eine Grafik .
Zusammenfassung
Ein Artikel in der ZEIT berichtet, dass die Belastung mit Feinstaub in Stuttgart im Vergleich zu den Vorjahren gesunken ist. Anderswo – genannt wird San Francisco – würden allerdings strengere Regeln gelten. Im Vergleich hierzu schneide Stuttgart immer noch schlecht ab, auch die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO würden überschritten. Der Artikel vergleicht dabei die verschiedenen Grenzwerte, ohne aber alle konkret zu nennen. Der Text enthält viele interessante Daten und Fakten und bezieht verschiedene Experten und Quellen ein; doch sind nicht alle Angaben klar benannten Quellen zugeordnet. Der Beitrag informiert über die verschiedenen Ursachen der Feinstaubbelastung. Dabei hätten wir uns gewünscht, dass nicht nur für Holzöfen, sondern auch für die anderen Feinstaubquellen der jeweilige Anteil genannt worden wäre. Hier hätte sich z.B. eine Grafik angeboten. Der Beitrag nennt verschiedene Lösungsansätze, von der besseren Abgasreinigung in Industrieanlagen bis zum Verbot der Anfeuerung von Holzöfen bei Feinstaubalarm. Er macht dabei auch deutlich, welche individuellen Handlungsmöglichkeiten im Alltag bestehen, etwa durch die Nutzung von Bus und Bahn statt des Autos. Dass die Feinstaubwerte in 2018 gesunken sind, könne allerdings auch durch die Wetterlage bedingt sein, schränkt der Artikel ein.
Allgemeine Anforderungen
1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.
Etliche Informationen sind jedoch so allgemein gehalten, dass sie sich von Leserinnen und Lesern nicht nachvollziehen lassen. Wie etwa lauten die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation konkret, welche Grenzwerte gelten in Kalifornien? Wir werten insgesamt „eher erfüllt“
2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.
3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.
4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.
Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus
5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme
Die Online Version des Artikels enthält ein Info-Kästchen, welches explizit verschiedene Quellen für Luftverschmutzung benennt. Aber auch hier fehlt eine Aufschlüsselung nach Anteilen.
Insgesamt werten wir „eher erfüllt“.
6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.
Der Artikel hinterfragt sowohl Feinstaubwerte in Stuttgart und bundesweit, als auch den europäischen Grenzwert für Feinstaub kritisch. Letzterer wird als zu hoch angesehen, wenn man ihn mit geltenden Standards in Kalifornien oder den Empfehlungen der WHO vergleicht. Der Artikel lässt zwar durch vorsichtige Formulierungen ahnen, dass Aussagen mit Unsicherheiten behaftet sind („dürften…beigetragen haben“, Vorschrift kann jetzt „wohl überall eingehalten werden“. „Grenzwert dürfte also zu hoch sein“). Es fehlen aber klare Angaben dazu, was genau gemessen wird, welche unterschiedlichen Grenzwerte es konkret gibt und wie gut diese begründet sind. Wir werten daher „eher nicht erfüllt“.
7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.
Der Artikel nennt diverse Lösungsansätze für die Senkung der Feinstaubwerte: Verbot der Benutzung von Holzöfen bei Feinstaubalarm, Nutzung von Bus und Bahn anstelle des Autos, Einsatz besserer Partikelfilter, Erneuerung der Fahrzeugflotte, Verbesserung des Verkehrsflusses, Modernisierte Abgasreinigung in Industrieanlagen, eine Mooswand am Neckartor, regelmäßige Säuberung der Luft mit einem Nass-Hochdruckreiniger und Aufklärung der Bevölkerung. Der letzte Absatz des Artikels relativiert die Wirksamkeit der vorgestellten Lösungsansätze: Es könne auch die günstige Wetterlage gewesen sein, die die Feinstaubwerte sinken ließ.
Im Artikel wird für eine Senkung der Grenzwerte plädiert, da dies verstärkte Anstrengungen zur Reduzierung der Feinstaubwerte hervorrufen würde, welche beispielsweise über reine Appelle an die Bevölkerung hinausgingen. Insgesamt stellt der Artikel eine große Bandbreite an Lösungsansätzen dar.
8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.
Der Beitrag berichtet zum einen über gesundheitliche Folgen hoher Feinstaubwerte, die die Leserschaft in Feinstaub-belasteten Regionen direkt betreffen können.
Zum anderen wird durch die Benennung der Ursachen (siehe Kriterium 5) klar, dass die alltäglichen Verhaltensweisen Einzelner – etwa das Autofahren oder das Benutzen von Holzöfen und Kaminen – zur Feinstaubproblematik beitragen, bzw. dass hier Ansätze zur Vermeidung liegen. Auch wenn nicht ausdrücklich an das Publikum appelliert wird, werden die Zusammenhänge doch deutlich.
9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.
Es wird im Beitrag deutlich, dass Feinstaubbelastung zum einen ein global verbreitetes Problem ist, etwa durch den Verweis auf die Weltgesundheitsorganisation und die Situation in Kalifornien. Hier wären zusätzlich Informationen dazu interessant gewesen, wie verbreitet die Feinstaubproblematik global ist (siehe z.B. hier). Zum anderen wird durch die Aufzählung der Ursachen klar, dass diese vor allem lokal / regional zu suchen sind, Probleme also vor Ort gelöst werden müssen. Wir hätten uns gewünscht, dass das Beispiel Stuttgart noch klarer in den bundesweiten Zusammenhang eingeordnet wird. Zwar wird berichtet, dass die Lage hier besonders schlecht ist, da die Stadt als letzte deutsche Stadt voraussichtlich 2018 den Grenzwert einhält. Aber ob es sich um einen völligen Ausreißer handelt, oder die Lage in anderen Städten und Regionen ähnlich ist, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Wir werten insgesamt „eher erfüllt“.
10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.
Die Feinstaubbelastung stellt ein dauerhaft relevantes Umweltthema dar, da sie vielerorts noch nicht zufriedenstellend eingedämmt werden konnte und unmittelbar gesundheitliche Probleme verursacht. Seine Bedeutung dürfte mit der zunehmenden Urbanisierung noch wachsen. Anlass des Artikels ist die erstmalige Einhaltung des Feinstaub-Grenzwertes in Stuttgart in diesem Jahr. Der Artikel erfüllt damit auch das Kriterium der Aktualität.
11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.
Insgesamt ist der Artikel eher retrospektiv ausgerichtet, mit Blick auf das Jahr 2018 und die Entwicklung der Feinstaubwerte in den letzten Jahren. Nur sehr vage wird auf Handlungsbedarf in der Zukunft verwiesen, wenn es zu den bisherigen Verbesserungen heißt, der Erfolg der Umweltpolitik sein „nur ein Zwischenschritt“. Welche weiteren Schritte folgen müssten, ob es hierzu beispielsweise konkrete Forderungen gibt, und welche Wirkungen Experten sich davon versprechen, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Insgesamt fehlt dem Artikel eine Zukunftsperspektive. Es wird lediglich auf die Abhängigkeit der zukünftigen Entwicklung der Feinstaubwerte von der Wetterlage im kommenden Winter hingewiesen. Insgesamt sehen wir das Kriterium „eher nicht erfüllt“.
Darstellung
12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.
Der Artikel ist flüssig geschrieben und klar strukturiert. Einige Angaben und Begriffe sind allerdings für Laien schwer verständlich. Während die Online-Version des Artikels eine Info-Box enthält, die Fachbegriffe zur Luftverschmutzung erklärt, fehlen solche Erläuterungen im hier bewerteten Print-Artikel. Zu den Maßnahmen in Kalifornien wird eine sog. „Smoke School“ erwähnt. Was darunter zu verstehen ist, wird nicht erklärt. Besonders irritierend ist der Absatz, der zusätzlich die Stickoxid-Problematik aufgreift. Zuvor wurde lediglich über Feinstaub gesprochen. Nun taucht der Satz auf: „Denn während der Grenzwert für Stickoxide, der in den letzten Monaten zu immer neuen Fahrverboten geführt hat, unter Fachleuten umstritten ist, gilt Feinstaub nach einhelliger Expertenmeinung als weitaus gefährlicherer Luftschadstoff …“ Ohne eine Erklärung der Begrifflichkeiten ist hier für den Laien unklar, ob Feinstaub und Stickoxide miteinander zusammenhängen oder nicht. Wenn es dann weiter heißt, „Deutschlands Luft ist zwar sauberer geworden…“, bleibt unklar, ob sich das nun auf Feinstaub, Stickoxide oder beides beziehen soll. Daher werten wir „eher nicht erfüllt“.
13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.
Die Überschrift des Artikels ist gelungen. Sie fasst die wesentlichen Schlüsse des Artikels zusammen, macht neugierig und stimmt mit dem Inhalt des Artikels überein. Auch der Vergleich von zwei verschiedenen Orten, Stuttgart und San Francisco (Kalifornien), ist interessant. Die vielen Zahlen im Text, welche nicht grafisch aufbereitet werden, erschweren jedoch das Lesen und senken die Attraktivität. Die diversen Zahlen und Entwicklungen, hätten mittels einer Grafik, Tabelle oder eines Zeitstrahls übersichtlicher dargestellt werden können. Das gleiche gilt für den Anteil, den verschiedene Ursachen an der Feinstaubbelastung haben – hierzu gibt es beispielsweise eine Grafik auf der Stadtklima-Webseite der Stadt Stuttgart.
Auch das Foto zum Text – ein Haus mit qualmendem Schornstein in einem Waldgebiet – scheint uns nicht sehr passend gewählt, geht es im Text doch vorwiegend um Feinstaubbelastung in Städten. Wir werten „Eher nicht erfüllt“.