Ein dpa-Beitrag, der in der Rhein-Zeitung erschienen ist, berichtet über Erhebungen des Internationalen Rats für Meeresforschung (Ices). Diesen Zahlen zufolge zeigt ein von der EU beschlossenes Verbot, unerwünschten Beifang ins Meer zurückzuwerfen, bislang kaum Wirkung. Der Beitrag informiert sachlich über die Problematik und lässt verschiedene Akteure zu Wort kommen.
Zusammenfassung
Fischern gehen auch andere als die gewünschten Fischarten ins Netz. Häufig wird solch Beifang einfach zurück ins Meer geworfen, wo die geschädigten Fische oft nicht überleben. Die EU hat 2013 ein Rückwurfverbot beschlossen, um dadurch die Fischer zu selektiveren Fangmethoden zu animieren; doch bislang greift das Verbot nicht, berichtet ein Text der Deutschen Presse-Agentur (dpa), der leicht gekürzt in der Rhein-Zeitung erschienen ist. Der Beitrag beschreibt die Problematik sachlich und korrekt. Verschiedene Stellungnahmen werden eingeholt, wobei es leider versäumt wird, die Stellungnahme des Fischereiverbands, der den illegalen Rückwurf bestreitet, genauer zu hinterfragen.
Als Verursacher nennt der Text vor allem die Politik, die es versäumt habe, rechtssichere Kontrollmechanismen für das Rückwurfverbot und Sanktionsmöglichkeiten zu schaffen. Der Beitrag nennt verschiedene Lösungsansätze; Handlungsmöglichkeiten der Konsumenten, werden dabei nicht näher erläutert, doch werden diese in einem zweiten Text auf der gleichen Seite dargelegt.
Allgemeine Anforderungen
1. Im Beitrag werden Fakten korrekt beschrieben und eingeordnet.
Soweit die Fakten überprüfbar sind (ICES Daten zum Dorsch in der Ostsee) nennt der Artikel korrekte Zahlen, die der wissenschaftlichen Quelle entsprechen. Im Beitrag sind diese Angaben gerundet, dies wird aber deutlich gemacht („knapp 31.000 Tonnen“) .
2. Es wird sachgerecht berichtet, ohne bestimmte Positionen unangemessen zu bevorzugen.
Der Beitrag beschreibt sachlich die Problemlage, dass sich Rückwurfquoten trotz des von der EU eingeführten Rückwurfverbots nicht wesentlich ändern, und zieht mehr als eine Quelle zur Untermauerung heran. Mit dem Thünen-Institut für Ostseefischerei und dem Fischereiverband kommen Vertreter verschiedener Positionen und Interessen zu Wort.
Allerdings geht der Artikel auf die Stellungnahme des Fischereiverbands, der den Vorwurf des illegalen Rückwurfs zurückweist, nicht weiter ein. Hier wäre ein kritisches Nachfragen nötig gewesen, um diese Behauptung entweder bestätigen oder widerlegen zu können. Es fehlen Argumente, die es Leserinnen und Lesern ermöglichen, die Glaubwürdigkeit dieser Aussage zu bewerten. Hierzu hätte beispielsweise auch eine dritte Quelle herangezogen werden können, um dieses Kriterium voll zu erfüllen. So werten wir nur „eher erfüllt“.
3. Der Beitrag macht deutlich, auf welche Quellen er sich stützt und benennt gegebenenfalls Interessenkonflikte.
Die Aussagen und Daten werden klar den verschiedenen Quellen zugeordnet (ICES, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Fischereiverband), ihre Herkunft lässt sich insofern gut nachvollziehen. Als Quelle für den Anteil des Beifangs bei der Dorschfischerei werden beispielsweise „Daten des internationalen Rates für Meeresforschung (Ices)“ angegeben. Positiv bewerten wir, dass der Beitrag auch erklärt, wie diese Daten vom Ices zustande kommen. Dass der Direktor des Instituts für Ostseefischerei, der in dem Artikel zu Wort kommt, selbst Mitglied im Ices ist, wird auch offengelegt.
Wünschenswert wäre allerding eine präzisere Nennung der Studie des Ices, aus der die Daten zur Dorschfischerei stammen, z.B. mit Veröffentlichungsdatum und Titel / Link, ebenso auch zu den anderen genannten Fischarten. Wir werten insgesamt „eher erfüllt“.
4. Der Beitrag enthält Informationen, die wesentlich über eine Pressemitteilung hinausgehen.
Eine Pressemitteilung zu diesem Beitrag haben wir nicht gefunden. Der Artikel zieht mehrere Quellen heran und zitiert unterschiedliche Positionen. Er beruht offensichtlich nicht auf einer Pressemitteilung.
Spezielle Anforderungen Umweltjournalismus
5. Der Beitrag nennt Ursachen / Verursacher der dargestellten Umweltprobleme
Als verantwortlich dafür, dass Beifang überhaupt erst aus dem Meer gefischt und dann verletzt wieder zurückgeworfen wird, erscheinen hier die Fischereibetriebe, die sich mutmaßlich nicht an die bestehenden Regelungen halten. Stärker allerdings wird die Politik als wesentlicher Verursacher hervorgehoben. Sie wird verantwortlich dafür gemacht, dass das Rückwurfverbot nicht greift, weil sie es versäumt habe, rechtssichere Kontrollmechanismen zu schaffen und Sanktionen einzuführen. Daher seien den kontrollierenden Behörden die Hände gebunden.
Dass Konsument*innen durch die Nachfrage nach Fisch auch eine gewisse Verantwortung an der Problematik tragen, wird außerdem in einem zweiten Artikel auf der gleichen Seite erwähnt.
6. Es wird deutlich gemacht, wie gesichert das dargestellte Wissen zu Umweltfragen ist.
Bei den wesentlichen wissenschaftlichen Aussagen und Daten, die im Artikel genannt werden, wird klar, wo es sich um Fakten / Wissen handelt, und wie dieses gewonnen wurde (z.B. durch „wissenschaftliche Beobachter und vertrauliche Angaben der Fischer“). Wo es sich eher um Schätzungen und ungefähre Angaben handelt, wird auch dieses deutlich (z.B. „hochgerechnet mindestens 3450 Tonnen“ oder „Daten…decken sich in der Tendenz mit…“).
Bei den Aussagen des Fischereiverbands wird dagegen nicht klar, auf welche Erkenntnisse sich dessen Vertreter stützt. Er wird nicht dazu befragt, ob es sich um eine reine Meinungsäußerung handelt, oder ob dem Verband konkrete Daten vorliegen, die die These belegen könnten, es würde kein Beifang illegal über Bord geworfen. Da der Beifang ja nach seinen Aussagen „aufwendig sortiert und dokumentiert“ werden muss, hätte eine Frage zu den daraus gewonnenen Erkenntnissen nahegelegen. Wir werten daher „eher nicht erfüllt“.
7. Ein Beitrag bezieht nach Möglichkeit Lösungsansätze für Umweltprobleme ein.
Der Beitrag schlägt mehrere Lösungsansätze vor: Sowohl Ideen, die in Zukunft angewandt werden können (Kameras an Bord, Entzug des MSC Siegels für Fischer, die sich nicht an das Verbot halten), als auch Lösungen, die bereits existieren (Flexnetze). Warum solche Methoden zur selektiven Fischerei nicht angewendet werden, hätte noch erläutert werden können.
Verbraucher*innen beim Fischkauf achten sollten, wird in dem zusätzlichen Artikel dargelegt.
8. Ein Beitrag soll gegebenenfalls Bezüge der dargestellten Umweltproblematik zum Publikum und dessen Lebensumfeld aufzeigen.
Ein Bezug zu den Verbrauchern wird im hier bewerteten Beitrag nicht unmittelbar hergestellt. Immerhin erwähnt wird das MSC-Siegel, das den Verbrauchern Orientierung beim Fischkauf geben soll. Ein zweiter Artikel auf der Seite beschreibt diesen Alltagsbezug ausführlicher. Dabei geht es zwar primär um die Auswirkung verschiedener Fangarten auf die Umwelt, aber zumindest am Rande auch um die Beifangproblematik. Daher werten wir insgesamt „eher erfüllt“.
9. Es wird deutlich, wie lokale und globale Umweltentwicklungen/ - ereignisse zusammenhängen.
Der Beitrag berichtet, dass es ein Rückwurfverbot der EU gibt, und fokussiert dann auf dessen (Nicht)einhaltung in der Ostsee. Auch Daten aus der Nordsee werden erwähnt. Die Auswirkungen der Überfischung und der Beifangproblematik auf die Fischbestände und das Ökosystem Ostsee werden indes nicht näher beschrieben. Den Zusammenhang mit der globalen Problematik der Überfischung der Meere stellt der Text nicht her.
Ob bereits Auswirkungen des Rückwurfs bzw. des Verbotes auf die „Weltmeere“ bzw. konkrete andere Meeresregionen bekannt sind, berichtet der Beitrag nicht. Auch ob sich das Verbot langfristig auf Im- und Exporte oder die Fischereipolitik anderer Länder auswirken wird, oder wie andere EU-Staaten Kontrollen handhaben, wird nicht erläutert. Wir werten daher „eher nicht erfüllt“.
10. Ein Beitrag greift aktuelle Umweltthemen auf, oder aber solche, die über lange Zeiträume bedeutsam („latent aktuell“) sind.
Aktueller Anlass für den Artikel sind offenbar neuere Daten des Ices. Der Beitrag zeigt zudem auf, dass dieses Problem seit langer Zeit besteht und sich auch bislang nicht viel daran geändert hat. Die Problematik der Überfischung ist dauerhaft aktuell.
11. Auswirkungen eines Umweltereignisses /-problems auf die zukünftige Entwicklung werden angesprochen.
Die Konsequenzen, die das Zurückwerfen von Beifang langfristig für die Fischbestände und die Meeresökosysteme hat, werden nicht erläutert. Dass viele Fischarten in ihrem Bestand gefährdet sind, geht zwar aus dem zusätzlichen Artikel hervor. Wie sich das Verschwinden bzw. Aussterben bestimmter Fischarten künftig auf unsere Umwelt auswirkt, wird an dieser Stelle aber nicht deutlich. Daher werten wir „eher nicht erfüllt“.
Darstellung
12. Ein Beitrag muss für die Zielgruppe verständlich sein.
Der Beitrag ist klar strukturiert: Er stellt zuerst die Problematik dar, bezieht dann unterschiedliche Positionen dazu ein und nennt schließlich Lösungsvorschläge. Er ist im Wesentlichen gut verständlich: Zu Beginn des Artikels wird der Begriff „Beifang“ anschaulich erklärt. Auch, wie ein Flexnetz funktioniert, wird verständlich beschrieben. Vereinzelt werden indes Begriffe aus der Fischereisprache benutzt (Anlandungen, Logbucheinträge), die vielleicht nicht jedem geläufig sind.
Es wird auch nicht wirklich erläutert, warum es überhaupt ein Problem darstellt, dass Beifänge nicht angelandet werden bzw. warum keine besseren Methoden zur selektiven Fischerei angewendet werden.
Eine Grafik, die die zahlenmäßige Entwicklung des Beifangs darstellt, wäre wünschenswert und würde zur besseren Verständlichkeit beitragen und die Problematik außerdem bildlich verdeutlichen.
Insgesamt werten wir „eher erfüllt“.
13. Ein Beitrag soll Umweltthemen interessant und attraktiv aufbereiten.
Der Artikel stellt eine interessante Thematik dar. Die Überschrift macht neugierig und der Text ist leicht lesbar. Er hat einen roten Faden, erzählt allerdings keine Geschichte, die auch weniger interessierte Leser anregen könnte, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der Beitrag hätte durch ansprechendere Bilder (das gewählte Bild passt, macht die Problematik nicht wirklich deutlich) und z.B. eine Grafik weiter aufgewertet werden können. Das Kriterium werten wir insgesamt „eher erfüllt“.